Andacht vom 15.12.2004:
Liebenswert
Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe! Johannes 15,9
Dieser Zuspruch Jesu für seine Jünger versetzt mich immer wieder in Erstaunen. Dass Jesus von seinem Vater geliebt wird, überrascht nicht. Wie könnte es anders ein: "Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." (Mt 3,17) Jesus war wirklich uneingeschränkt liebenswürdig. Nie kränkte er mit einer Sünde seinen Vater. Er konnte von sich behaupten: "Ich und der Vater sind eins." (Jo 10,30)
Solch ein buchstäblich einmaliges Vater-Sohn-Verhältnis kann nur von Liebe gekennzeichnet sein. Um so erstaunlicher die Aussage unseres Andachtswortes: Ich liebe euch genauso, wie ich von meinem Vater geliebt werde, ohne Einschränkung, ohne Vorbehalt, bedingungslos.
Dabei waren die Jünger keineswegs so liebenswürdig. Oft musste der Herr sie zurechtweisen. "Wisst ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seid?" (Lk 9,55) Mehrfach beklagte Jesus ihren Kleinglauben. Die größten Enttäuschungen bereiteten ihm die Jünger in seinen letzten Tagen und Stunden. Als er ihnen erklärte, er werde gefangen, verspottet, gegeißelt und gekreuzigt werden, stritten sich zwei von ihnen um den besten Platz im Himmel. In Gethsemane schliefen die drei Vertrautesten des Meisters ein, statt mit ihm zu wachen und zu beten. Judas verriet seinen Herrn, Petrus verleugnete ihn dreimal. Alle Jünger flohen.
Ihnen und uns versichert Christus: Ich liebe euch nicht weniger, als mein Vater mich liebt. "Wie er (der Vater) die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebt er (Jesus) sie bis ans Ende." (Jo 13,1)
"Bis ans Ende" bedeutet zweierlei: Jesus liebte sie bis zum letzten Augenblick. Und seine Liebe ging bis zum Äußersten: sie fand ihre Vollendung am Kreuz. Für derartige Liebe gibt es nur eine Erklärung: Nicht unsere Liebenswürdigkeit, sondern unsere Bedürftigkeit ist das Motiv für die Liebe Christi zu uns.
Joachim Hildebrandt
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.