Andacht vom 26.11.2013:
Mit lauter Stimme riefen [die Märtyrer]: "Heiliger und wahrhaftiger Herr, wie lange wird es noch dauern, bis du die Menschen, die dieser Welt angehören, für das Unrecht richtest, das sie uns zugefügt haben?" Offenbarung 6,10 (Neues Leben)
Es war schon eigenartig, als John Demjanjuk im Jahr 2009 als vermutlich letzter Nazi-Verbrecher vor einem Gericht in München erscheinen musste. Krank und kaum verhandlungsfähig wurde der 89-Jährige wegen Beihilfe zum Mord in 27.900 Fällen angeklagt. "Die Menschen sollen nicht vergessen", titelte Spiegel Online (29.11.2009) und berichtete von Angehörigen und Opfern, die als Nebenkläger in diesem Prozess auftraten.
Kann nach so vielen Jahren den Getöteten des Vernichtungslagers Sobibor durch solch einen Prozess Gerechtigkeit widerfahren? Wohl kaum. Aber der Mensch sehnt sich danach, dass Unrecht gesühnt wird, dass Täter zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden. Viele Straftaten, die auf dieser Welt geschehen, bleiben ungesühnt. Vielfach werden die Schuldigen nicht gefunden, kein Gericht verurteilt sie, sie müssen keine Konsequenzen befürchten.
Es ist fast unerträglich, die Ungerechtigkeit dieser Welt zu sehen und manchmal am eigenen Leibe zu spüren. Es ist fast unerträglich zu sehen, dass es den Tätern häufig besser geht als den Opfern.
Gerechtigkeit zu schaffen ist nicht möglich auf dieser Welt. Deshalb schreien die Gläubigen zu Gott um Hilfe. Sie sehnen sich nach Recht. Gott ist nicht untätig; er hat die Geschichte in seiner Hand und wird in dieser Welt einst die Gerechtigkeit zur Geltung kommen lassen. "Das Recht wird wieder gerecht sein, und die aufrichtigen Menschen werden belohnt werden" (Ps 94,15 NLB) - das war schon damals die Hoffnung eines Psalmschreibers. "Eine kleine Weile noch" durchzuhalten, ermutigt Gott die Gläubigen in der Offenbarung (6,11 NLB), auch wenn es ihnen schwerfällt.
Vertrauen wir Gott, dass er einst alles zum Guten führen wird, und bitten wir ihn bis dahin um die Geduld und Kraft, Unrecht zu ertragen und durchzustehen. Denn wir können sicher sein: Wenn die Zeit gekommen ist, wird Gott das erschaffen, worauf wir lange warten: "Einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt." (2 Ptr 3,13)
Roland Nickel
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.