Andacht vom 22.12.2013:
Er, der das Wort ist, wurde Mensch und lebte unter uns. Er war voll Gnade und Wahrheit und wir wurden Zeugen seiner Herrlichkeit, der Herrlichkeit, die der Vater ihm, seinem einzigen Sohn, gegeben hat. Johannes 1,14 (Neues Leben)
Wir haben uns daran gewöhnt, dass Gott als Mensch aus Fleisch und Blut sichtbar erschienen ist, ohne noch zu bemerken, wie ungeheuerlich das ist. Der jenseitige, alles menschliche Begreifen sprengende Gott kommt zu den Menschen herab. Was in aller Welt kann ihn dazu veranlassen, so etwas zu tun?
Das unabhängige Geistwesen beugt sich unter die begrenzte Gesetzmäßigkeit der materiellen Welt- denn Jesu menschliche Natur war Schöpfung. "Ein Gott, der nur Gott ist, ist leichter zu verstehen als ein Gott, der Mensch wird." (Origenes, griech. Kirchenlehrer, ?254)
Zugegeben, Jesus offenbarte durch sein Leben und Wirken Gott (Joh 14,6.7), aber machte er dadurch seine Menschwerdung nicht nur sichtbarer, sondern auch zugleich unbegreiflicher? Sollte es für Gott keine andere Möglichkeit gegeben haben, sein Wesen zu offenbaren oder die Sache mit dem widerspenstigen Menschengeschlecht in Ordnung zu bringen? Wäre nicht der Gerechtigkeit Genüge getan gewesen, wenn er die Übertreter nach dem Sündenfall ausgelöscht hätte? Wäre das nicht viel einfacher gewesen, als der quälenden und unrühmlichen Menschheitsgeschichte Jahrtausende lang zuzusehen? Außerdem: Am Anfang ging es um das Verlorensein von zwei Menschen. Was ist das schon im Zeitalter der Massenvernichtung? Wie viele Verlorene werden es am Ende sein? In der Offenbarung heißt es, "deren Zahl ist wie der Sand am Meer" (20,8).
Wir Menschen hätten anders gehandelt! Wenn Gott auf eine für uns so unbegreifliche Weise reagiert, dann ist das alles andere als selbstverständlich. Warum tut er das? Johannes deutete das Motiv an: "Denn Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab." (Joh 3,16a Hfa)
Schon der Liebe zwischen Menschen ist nicht mit den Gesetzmäßigkeiten der Logik beizukommen. Wie viel mehr trifft das auf Gottes Liebe zu. Dennoch bleibt solche Liebe unerklärlich, betrifft sie doch ein völlig ungeeignetes Objekt (vgl. Röm 3,12; 5,8). Niemand kann sie begreifen, aber sie ist da und trägt uns. Und da reden wir so selbstverständlich von der Menschwerdung Jesu!
Günther Hampel
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.