Andacht vom 25.01.2005:
Das ist nicht fair!
Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin? Matthäus 20,15
Jesus erzählte seinen Jüngern ein Gleichnis. Da schuften in einem Weinberg einige Männer zehn Stunden in der Hitze des Tages und bekommen zuletzt den gleichen Lohn wie diejenigen, die am späten Nachmittag nur eine Stunde gearbeitet haben. Dieses Gleichnis von den Weingärtnern ist nicht dazu bestimmt, heutzutage etwa Vorschläge für tarifliche Regelungen zu unterbreiten oder arbeitsrechtliche Fragen zu klären. Es will uns vielmehr auf eine für uns alle bedeutsame Wahrheit im Reich Gottes hinweisen.
Wenn uns gesagt wird, dass Zugehörigkeit zu Christus und Dienst in der Gemeinde letztlich nur auf Gottes Gnade beruhen, werden wir sicherlich zustimmend mit dem Kopf nicken. Wie sieht es aber aus, wenn aus unserer Sicht Gottes Güte anderen, die sich nach unserem Urteil nicht genügend für die Sache Gottes einsetzen, in größerem Maße zuteil wird? Es scheint so, als ob der Hausherr im Gleichnis die "Langarbeiter" provozieren will, denn er lässt die Lohnauszahlung bei den "Letzten" beginnen. Sie erhalten den vollen Tageslohn für höchstens zehn Prozent der Arbeitszeit. Freuen sich die "Ersten" angesichts der Güte des Hausherrn mit den "Letzten" oder? Sie "murrten gegen ihn", heißt es. Das ist mehr als Unzufriedenheit, das ist Rebellion gegen Gottes Handeln! Sie hatten vergessen, dass sie vom Morgen an sicher sein konnten, ausreichenden Lohn zu erhalten. Dankbar wären sie gewesen, wenn Gottes Güte ihnen selber zugute gekommen wäre. "Wie großzügig ist Gott", sagt man, wenn man selber unverhofft eine Erbschaft macht. "Ich elender Neidhammel" denkt man kaum von sich selbst. Wir berauben uns der Freude, ein Gotteskind zu sein, wenn wir mit einem Auge nach dem verheißenen Segen Gottes ausschauen und mit dem anderen kontrollieren, ob unser Nächster vielleicht etwas mehr von Gottes Segen empfangen hat. Gott bewahre uns vor solchem "Schielen", denn das macht unzufrieden!
Manfred Böttcher
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.
