Andacht vom 06.02.2005:
Sangesfreude
Das Reich Gottes ist... Friede und Freude in dem heiligen Geist. Römer 14,17
Wenn in einer Stadt Autos an den Fußgängern vorübersausen, Motorräder knattern und Straßenbahnen quietschen, dann ist das ganz normal. Das gehört zum üblichen Straßenlärm. Wenn aber mitten in diesem Lärm einer auf der Straße laut und unbekümmert singt, ist das keineswegs normal und lässt uns aufhorchen. Mir kam einer unterwegs so entgegen. Betrunken war er nicht, das verriet das Lied, das er sang:
"Danke für diesen guten Morgen, danke für jeden neuen Tag, / danke, dass ich all' meine Sorgen auf dich werfen mag."
Als wir direkt aneinander vorbeigingen, war der "Sänger" gerade an der Stelle: "... danke für alles Schöne, Helle ..."
Ich schaute dem Mann ins Gesicht. Es war das Gesicht eines leicht Behinderten, dennoch war deutlich zu erkennen, dass er empfand, was er sang. Wahrscheinlich kam er aus dem nahe gelegenen Heim und war unterwegs, um Besorgungen zu machen, was der kleine Rucksack auf seinem Rücken vermuten ließ. Beim Weitergehen fragte ich mich: Wer ist eigentlich besser dran, der Behinderte, der singend und dankbar seinen Weg geht, oder die vielen "Normalen", die stumm und oftmals verdrießlich durch die Straßen strömen? Nicht selten richten Letztere ihr ganzes Augenmerk darauf, das Unschöne aufzuspüren. Wir kennen das! Hundert gute Sätze in einer Predigt oder im Studienheft zur Bibel erfreuen wenig, aber der eine Satz, der nicht geraten scheint, der regt den Menschen auf. Große Gottesdienste mit gelungenen Darbietungen finden kaum Anerkennung, weil ein Musikstück nicht gefiel oder weil an einer Stelle die Organisation nicht klappte. Dass sich einer zum Wohle anderer einsetzt, ist doch selbstverständlich und keiner Rede wert! Aber wenn er es einmal nicht tut oder gar einen Fehler macht, dann wird darüber viel und lange geredet. Warum nur lassen wir uns die Dankbarkeit so kaputt reden? Ich wünsche dir etwas Besseres: "Friede und Freude in dem heiligen Geist."
Lothar Reiche
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.