Andacht vom 03.06.2005:
In der Fremde
Danach brach er auf... und schlug sein Zelt auf... und baute dort dem Herrn einen Altar und rief den Namen des Herrn an. 1. Mose 12, 8
Abraham kommt in ein unbekanntes Land, zu fremden Menschen. Wie tritt man in einem solchen Land auf, wie verhält man sich als Fremdling gegenüber Einheimischen? Von Gastarbeitern, Aussiedlern und Asylanten erwarten wir, dass sie sich anpassen, einordnen und unauffällig verhalten. Sonst lassen wir sie schnell erkennen, dass sie hier (noch) nicht zu Hause sind. Tatsächlich hat der Neue, der hinzukommt, die besten Chancen, angenommen zu werden, wenn er sich anpasst.
Wie verhielt sich Abraham in der Fremde? Hat er sich geschickt eingeordnet - zumal unter den Kanaanitern, die als böse, grausame und sittenlose Götzendiener bekannt waren? Wie hätten wir uns an Abrahams Stelle verhalten?
Es ist faszinierend, den Reisebericht über Abraham zu lesen und mitzuzählen, wie oft er, gerade wieder an einem neuen Platz angekommen, als Erstes dem Herrn einen Altar baut.
Es ermutigt, zu sehen, wie er im fremden, manchmal sogar feindlichen Umfeld seinen Gott und seinen Glauben nicht verbirgt, keine taktische Zurückhaltung übt, bis sich ein günstiger Moment bietet, um seinen Glauben zu bezeugen. Stattdessen zeigt er mit dem Bau seines Altars vor den Nachbarn unmissverständlich Flagge, lässt seine Beziehung zu Gott sichtbar werden. Konnte sein Umfeld dieses mutige Handeln nicht als Provokation verstehen? Zeigte das nicht Geringschätzung gegenüber den Göttern der Einheimischen? Musste sein Handeln nicht Ablehnung gegenüber dem Neuankömmling hervorrufen? War es klug, so zu handeln?
Vielleicht sträuben sich uns angesichts des Vorgehens Abrahams die Nackenhaare. Kann es aber sein, dass unsere Nachbarn womöglich noch immer nichts von unserem Glauben und unserer Gottesbeziehung erfahren haben? Abraham jedenfalls hat im Verlauf seiner Wanderung eine Fülle von Altären gebaut und an ihnen - für alle sichtbar - seinen Herrn angebetet. Immer, wenn er weiterzog, hinterließ er einen weiteren Altar als Erinnerung an seinen Gott. Diese Beziehung war es, die sein Leben in der feindseligen Fremde sicherte, und nicht etwa eine vorsichtige Taktik der Zurückhaltung. Abrahams Beispiel mag uns dazu ermutigen, ebenfalls "Glaubensaltäre" zu errichten und dadurch all denen Orientierungshilfe zu geben, die uns begegnen.
Gerd Dreiling
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.