Andacht vom 05.08.2005:
Getrennte Wege
Da sprach Abram zu Lot: Lass doch nicht Zank zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten sein; denn wir sind Brüder. Steht dir nicht das Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken. 1. Mose 13,8.9
Abram hatte wie sein Neffe Lot große Viehherden und sie brauchten viel Weideland. Aber davon gab es nicht genug. "Das Land konnte es nicht ertragen, dass sie beieinander wohnten." (V. 6) Es gab immer wieder Streit zwischen den Hirten, der sich auch auf das Verhältnis zwischen Abram und Lot auswirkte.
Da wäre nun doch zu erwarten gewesen, dass Gott für Ordnung sorgte und sowohl Abram als auch Lot klar machte, was für ein Bild sie vor den Menschen und vor ihren Leuten abgeben: "Vertragt euch ab sofort, Schluss mit der Streiterei!" Doch das geschah nicht, und deswegen begeistert mich diese Geschichte. Gott, der die Herzen der Menschen kennt und um ihre Beweggründe weiß, dieser gütige Vater befiehlt nicht, nein, er lässt die Trennung zu. Jeder durfte seinen Weg gehen, jeder durfte seine eigene Erfahrung machen, jeder durfte nein sagen und seine eigene Persönlichkeit entwickeln. Eine durch Streit erzielte Anpassung wollte Gott nicht, jeder sollte sein eigener Herr sein. Das bedeutete für Abraham und Lot einander loszulassen, und das ganz ohne Hass und Groll. Bei allem Streit wurde hier "Größe" erwartet. Beeindruckend ist, dass diese Neuorientierung die Grundvoraussetzung für einen Neuanfang und der Weg zur Versöhnung wurde. Abram und Lot fanden wieder zusammen, und Gott war mit ihnen. Diese Erfahrung zeigt uns, dass es im Umgang untereinander nicht immer friedlich zugehen wird. Wir sollten auch nicht mit allen Mitteln versuchen, die Ruhe wieder herzustellen. Ein deutliches, klares Wort kann auch Trennung bedeuten, aber eine Trennung sollte immer einen Weg zur Versöhnung ermöglichen. So wie Gott Abram und Lot mit ihrem Problem nicht allein gelassen hat, wird er auch uns nicht allein lassen.
Reinhold Schwalm
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.