Andacht vom 21.08.2005:
Glauben wollen - glauben können
Erbarmt euch derer, die zweifeln. Judas 1,22
Es ist schwer, mit Menschen umzugehen, die zweifeln. Was glauben sie wirklich? Sind ihre Fragen echt oder vorgeschoben? Haben sie nur Freude am Diskutieren, oder zweifeln sie alles und jedes an? Wollen sie nicht glauben oder können sie nicht glauben?
"Erbarmt euch derer, die zweifeln" kann zum Beispiel so aussehen, dass man das ganze Gespräch zum wiederholten Mal von vorne beginnen darf. Das mag Nerven kosten, immer wieder auf Gegenargumente eingehen zu müssen. Aber wenn es darum geht, Menschen in bestimmten Lebenssituationen zurechtzuhelfen, sollten wir sie nicht einfach mit ihren offenen Frafen allein lassen.
Judas erinnert uns an die Barmherzigkeit unseres Gottes. Wie viel Zeit und Geduld hat er mit uns! Wie oft musste er sich von uns immer wieder dieselben Fragen und Gegenargumente anhören, bis wir begriffen haben und glauben konnten!
Bei einem Kuraufenthalt wurde ich während der Beschäftigungstherapie von einer Patientin immer wieder bezüglich Aussagen der Bibel zu Tod und Auferstehung gefragt. Es war mir klar, dass ein Abend nicht ausreichen würde, dieses Thema erschöpfend zu behandeln. Deshalb wunderte ich mich nicht, dass sie beim nächsten und übernächsten Mal wieder danach fragte. Als sie aber an den darauf folgenden vier Abenden immer noch dieselben Fragen stellte, war ich mir sicher, eine echte Zweiflerin vor mir zu haben.
Als ich darüber nachdachte, welche Hintergründe zu ihren vielen Fragen geführt haben mochten, entdeckte ich das Judaswort: "Erbarmt euch derer, die zweifeln." Das war für mich eine konkrete Antwort! Außerdem ging mir auf, dass während der vielen Abende immer wieder andere Patienten da waren, die nicht nur Freude an Glasmalerei, sondern gern zugehört und selbst viele Fragen zu diesem Thema gestellt hatten.
Solange Zweifler Fragen stellen, besteht noch Hoffnung. Sei barmherzig mit ihnen.
Helmut Kraus
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.