Andacht vom 31.01.2006:
Die verlorene Tochter (Sohn)
Er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Lukas 15,20
Ein Vater hat zwei Söhne. Der jüngere von beiden geht eigene Wege. Die Forderung des Sohnes nach dem Erbteil beantwortet der Vater nicht abwertend, sondern er respektiert sie. Warum? Weil er die Fähigkeit hat loszulassen. Er lässt seinen Sohn gehen, obwohl er weiß, dass dieser in der Welt scheitern könnte.
Der Vater ist sehr großzügig. Er hofft darauf, dass sein Sohn durch die Realität der Welt, die sein Traumbild in Frage stellen wird, zur Vernunft kommt. Deshalb wartet er auch, bis der Sohn - vom Schicksal gebeutelt - zurückkommt. Geduldig wartet er, und als der gescheiterte Sohn nach Monaten, Jahren zurückkommt, völlig unsicher, ob der Vater ihn überhaupt noch "haben will", kommt er aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Er wird mit einer Herzlichkeit und Liebe aufgenommen, als ob er noch der gleiche Sohn wie zuvor ist. Keine Vorwürfe, kein Zorn, sondern große Freude auf Seiten des Vaters, der bis ins Tiefste angerührt ihm sogar entgegenläuft weil, er seinen Sohn so liebt.
Jesus hat in dieser Geschichte die einzigartige Liebe Gottes zu uns veranschaulicht. Der Glaube an den Gott Jesu schenkt uns einen Vater, der die Fähigkeiten menschlicher Väter weitaus übersteigt. Von dieser Liebe dichtete Paulus: "Die Liebe ist langmütig und freundlich ... sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu ... sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles." (IKo 13,4.5.7) So ist die Liebe Gottes!
Im Glauben können wir zu Gott sprechen: "Abba, lieber Vater!" Eine kindliche Beziehung zu Gott hat etwas mit Vertrauen und Geborgensein zu tun. Die Angst vor dem fernen oder zornigen Gott wird uns genommen, da er uns ganz nahe gekommen ist.
Vertrauen schafft gleichzeitig auch Freiraum. Unser Gott ist deshalb kein überfürsorglicher, erdrückender Gott. Er lässt uns Freiraum und ist gespannt, was wir aus uns machen. Und immer wartet er auf uns, um uns seine Nähe und Sicherheit zu schenken.
Christian Noack
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.