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Andacht vom 01.02.2006:

Wo der Datenschutz endet

Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi. 2. Korinther 5,10

Geheimnisse haben wir alle. Nicht nur Betrüger und Übeltäter. Jeder Mensch hat etwas zu verbergen. Es gehört zur Menschenwürde, Geheimnisse behalten und hüten zu dürfen: vor dem Staat, vor dem Arbeitgeber, vor den Nachbarn und manchmal sogar vor dem Ehepartner. Sich offenbaren zu müssen ist eine Horrorvorstellung. Der "gläserne Mensch" erscheint uns als eine Schreckensvision.

Wer Geheimnisse nicht achtet, sondern auskundschaften und offen legen will, begeht schweres Unrecht. Das Schreckliche an Diktaturen und totalitären Systemen ist, dass sie das Recht auf einen geschützten Privat- und Intimbereich nicht respektieren. Doch der Mensch braucht ein Rückzugsgebiet, in dem er vor dem Zugriff der Umwelt geschützt ist. "Wer das Recht auf Geheimnis bestreitet, ist ein Hochverräter." (Immanuel Kant)

Es ist mir darum gar nicht lieb, was das Bibelwort auf den ersten Blick zu sagen scheint: Vor Christus gibt es keine Geheimnisse, etwas verbergen zu wollen ist zwecklos. Das klingt so, als landen wir am Ende alle im Container von "Big Brother", ob wir wollen oder nicht. Wenn ich jedoch daran denke, dass es eine der wichtigsten Verpflichtungen von Seelsorgern ist, Verschwiegenheit zu wahren und anvertraute Geheimnisse für sich zu behalten, dann verliert das "offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi" seinen Schrecken.

Paulus schreibt im Korintherbrief von der Zukunft, genauer gesagt vom Ende. Und er vollzieht damit eine Abgrenzung und Begrenzung von allen gewaltsamen Versuchen der Gegenwart, uns unsere Geheimnisse zu entreißen. Bis zum Ende soll und wird es niemandem gelingen, in den Besitz des letzten Wissens über uns zu kommen. Nicht dem bespitzelnden Staat, nicht den eifrigen Datensammlern unseres Konsumverhaltens, auch nicht denen, die unsere Gedanken kontrollieren und uns maschinenlesbar machen möchten. Es ist zum Glück für Zeit und Ewigkeit Christus vorbehalten, uns zu durchschauen. Kein anderer soll und wird über uns richten und Macht bekommen als der, den uns die Bibel als gnädig und gerecht verkündigt. Nur vor Christus können wir uns offen und unverhüllt zeigen, ohne Angst, dass er sein Wissen über uns preisgibt oder missbraucht.

Michael Götz

Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.

 

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