Andacht vom 23.03.2006:
Kommunikationsnotstand
Da sprach der HERR ZU Kain: "Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick?" 1. Mose 4,6
In der obersächsischen Mundart gibt es das Verb "dickschen", was soviel bedeutet wie schmollen, dumm tun. Die volkstümliche Erklärung bringt "dickschen" mit Dickkopf zusammen. Doch das greift zu kurz. Darin steckt sprachgeschichtlich: tückisch, bösartig sein. Im Erzgebirge kann man gelegentlich den Satz hören: "Die nimmt leichte was iebel un tutt dann lange dickschen."
Kain glaubte, Gott habe ihn schlecht behandelt. Wir kennen diese Bitterkeit. Manchmal vergleichen wir unsere Situation mit der anderer Menschen und fragen: Warum geht es den anderen so viel besser? Wir werden zu Anklägern und verschließen uns - wir "dickschen". In diesem Sinne ist die Frage Gottes an Kain zu verstehen: "Warum senkst du deinen Blick?" Modern gesprochen: Warum brichst du die Kommunikation ab?
Ich weiß von Ehepartnern, die sich nur noch per Notizzettel "verständigen". Das Aufhören der Kommunikation, ob in Ehe und Familie, ob in Nachbarschaft oder Gemeinde - oder gar mit Gott - darf niemals leicht genommen werden. In der Politik heißt es: Wo nicht mehr miteinander gesprochen wird, da wird bald aufeinander geschossen. Der Philosoph Karl Jaspers hielt den Abbruch der Kommunikation für das Böse schlechthin. Gott hat Kains Verhalten demnach genau richtig eingeschätzt. Er sah, welch furchtbarer Gefahr Kain entgegentrieb.
Gott will Gemeinschaft. Er möchte mit uns reden. Darum heißt es folgerichtig im priesterlichen Segen: "... der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden." (4 Mo 6,26) Auch wir wollen das Angesicht zueinander heben - offen, ohne Tücke und in der Bereitschaft zum gegenseitigen Verstehen.
Dieter Leutert
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.