Andacht vom 20.06.2006:
Aus dem Verkehr gezogen?
Verwirf mich nicht in meinem Alter, verlass mich nicht, wenn ich schwach werde. Psalm 71,9
Vor mir auf dem Schreibtisch liegt ein großer, brauner Geldschein. Eine Reichsbanknote, eintausend Mark. Vor fünf Jahren bekam ich den Schein von meinem Vater, ein Erbstück. Unser Urgroßvater hatte den Geldschein als Zukunftssicherung beiseite gelegt. Für sich und seine Kinder. Damals waren 1000 Mark ein kleines Vermögen. Doch in den Wirren des Zweiten Weltkriegs und der Flucht geriet der Schein in Vergessenheit. Als er später wieder auftauchte, hatte es bereits mehrere Währungsreformen gegeben. Niemand zahlte mehr mit Reichsbanknoten aus dem Jahr 1910. Heute hat der wunderschön filigran gearbeitete Geldschein, den ich ab und an liebevoll zwischen die Fingern nehme, nur noch Sammlerwert. Diese alte Banknote! Ihr Wert steht nur noch auf dem Papier - sie wurde aus dem Verkehr gezogen.
Manch einem, der jahrzehntelang Wert besaß - für seinen Arbeitgeber, die Gemeinde, seine Familie - geht es ähnlich. Er kommt sich vor wie ein ungültiger Geldschein. Die guten Jahre sind vorbei. So schnell ist die Zeit ins Land gegangen. Alles verändert sich, er kann nicht mehr Schritt halten. Es scheint, als wäre auch er längst aus dem Verkehr gezogen. Früher, da war er gefragt, da galt seine Meinung etwas, da hörte man auf ihn. Das ist lange her und die Jahre haben ihn gezeichnet.
Aber da ist Gott. Er macht unsern Wert nicht an dem fest, was wir können, wie wir aussehen oder wie gesund wir sind - auch wenn unsere Geburtsurkunde das gleiche Ausstellungsdatum wie der große, braune Tausender von 1910 hat. Gott hält uns liebevoll in den Händen, er schätzt und achtet uns, nicht weil wir etwas geleistet haben, sondern ganz einfach weil wir sind. Das gibt Mut zum Leben. Gott sei Dank!
Johannes Hartlapp
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.
