Andacht vom 27.06.2006:
"Honduras" ist überall
Wer gütigen Auges ist, der wird gesegnet werden; denn er gibt von seinem Brote dem Geringen. Sprüche 22,9 (Elberfelder Bibel)
Bei meiner Arbeit als Freiwillige in einem christlichen Waisenhaus in Honduras habe ich mich ein Jahr lang viel mit Kindern beschäftigt. Ich sprach häufig mit einem Jungen, dessen Eigenschaften und positive Sichtweise mich begeisterten. Nachdem sein Vater an einer Lebererkrankung gestorben war, lebte die Mutter mit dem Fünfjährigen und zwei kleineren Kindern allein. Sie konnte nicht immer zu Hause sein, sodass die Kinder viel sich selbst überlassen waren.
Der Junge erzählte mir, dass er seine jüngste Schwester oft weinen hörte und ihr dann die Flasche gab, weil er Mitleid mit ihr hatte. "Von meinem Brot habe ich ihr auch gegeben", fügte er wie selbstverständlich hinzu.
Mir wurden Fotos von dem Mädchen gezeigt mit der Versicherung, dass es aufgrund Unterernährung keine Woche länger gelebt hätte, wäre es nicht in pflegerische Hände gegeben worden. Auch der damals Fünfjährige war unterernährt. Und doch hatte er Mitleid und teilte seine karge Mahlzeit noch mit der kleinen Schwester.
"Und was sind deine Pläne für die Zukunft?", fragte ich ihn. "Ich möchte Pastor werden, denn falls Jesus noch nicht zurückgekommen ist, wenn ich groß bin, sollen die armen Menschen von ihm erfahren. Dann werde ich mir ein Auto kaufen und Reis, Getreide und Bohnen für die ganz Armen mitnehmen, damit sie nicht verhungern." Er machte eine Pause. "Und wenn die nichts von Gott hören wollen, dann erzähle ich es eben meiner Mama und meiner Familie."
Welch ein Verantwortungsbewusstsein hatte Gott diesem Kind ins Herz gelegt. Vielleicht konnte er es deshalb, weil der Junge schon seit früher Kindheit "von seinem Brot dem Armen" abgegeben hatte. Und mit welch einer Zufriedenheit ist er gesegnet!
Seither halte ich immer wieder Ausschau, ob Gott mir nicht einen "Geringen" in den Weg stellt, dem ich ein Stück Brot - oder was er sonst braucht - abgeben kann.
Jana Knoop
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.