Andacht vom 15.07.2006:
Pervers?
Nun freue ich [Paulus] mich in den Leiden, die ich für euch leide, und erstatte an meinem Fleisch, was an den Leiden Christi noch fehlt, für seinen Leib, das ist die Gemeinde. Kolosser 1,24
Sich freuen im Leid? Der Mann, der das schreibt, befindet sich in Haft. Unsägliches hat er schon durchgemacht. Er ist kein Übermensch. An anderer Stelle bittet er die Gemeinde: Betet für mich in meinen Fesseln! (Kol 4,18) Aber vielleicht brauchte eher die Gemeinde Trost? Vielleicht kam sie mit dem Schicksal des Apostels nicht zurecht. Ihr Apostel, ein Gefangener! Warum half Gott nicht - trotz ihrer anhaltenden Gebetsgemeinschaften?
Paulus muss in seinem Leid einen Sinn, sogar eine Aufgabe entdeckt haben. Andernfalls hätte er kaum sagen können: "Nun freue ich mich in den Leiden." Die Botschaft des Apostels ist ebenso ungewöhnlich wie eindeutig: Weil die Gemeinde der Leib Jesu ist und ihm nachfolgt, ist ihr nicht nur viel Freude geschenkt, sondern auch ein Leidensmaß auferlegt - und wir Menschen wissen nicht, was und wie viel. Aber es ist Paulus eine innere Entlastung, den Kolossern zu schreiben: Von diesem Leidensmaß kann ich etwas abtragen, für euch, vielleicht auch für eure Kinder und Kindeskinder. Das macht mir die Haft in Rom leichter.
Die Wege, die Gott mit uns geht, werden wir erst auf der neuen Erde verstehen. Vieles ist uns jetzt noch verborgen. Doch wir haben die Verheißung: Eines jedoch ist klar: "Was auch geschieht, das eine wissen wir: Für die, die Gott lieben, muss alles zu ihrem Heil dienen. Es sind die Menschen, die er nach seinem freien Entschluss berufen hat." (Rö 8,28 EB)
Diese Zusage gilt für die Tage voller Sonnenschein und für die Tage voller Leid.
Dieter Leutert
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.