Andacht vom 13.10.2006:
Die Hoffnung lebt
Das geknickte Rohr wird er [mein Knecht] nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. Jesaja 42,3
Das sind prophetische Worte. Jesaja, der Jahrhunderte vor Christus gelebt hat, spricht von Ihm, dem Kommenden. Doch was ist gemeint mit dem "geknickten Rohr" und dem "glimmenden Docht"? Der Textzusammenhang macht es deutlich: Dreimal wird vom "Recht" auf dieser Erde gesprochen. (V. 1.3.4) "Gerechtigkeit auf Erden", so heißt auch eine Erzählung von Heinrich Böll und der Schriftsteller zeigt: Es gibt sie nicht.
Wir müssen mit viel Ungerechtigkeit leben. Nicht wenige werden um Erb- und Besitzansprüche betrogen. Viele Verbrechen werden faktisch nicht geahndet. Arbeit wird ungerecht entlohnt. Wer stimmt dieser Einschätzung nicht zu? Doch wie steht es um unser eigenes Rechtsempfinden?
Gott wird diese Erde nicht der totalen Ungerechtigkeit, dem Gesetz des Dschungels, überlassen. Diejenigen, die für Gerechtigkeit einstehen, sollen nicht resignieren. Das Schilfrohr mag geknickt sein, doch Gott wird es nicht verdorren lassen. Der Docht mag glimmen, doch verlöschen wird er nicht. Als Sophie Scholl 1943 vor dem Volksgerichtshof stand, rief sie in den Zuschauersaal: "Sie denken so wie ich, sind aber zu feige, es zu sagen!"
Der kommende Gottesknecht bereitet einen "neuen Himmel und eine neue Erde" mit einer neuen Rechtsordnung. "Bis dahin", schrieb Dietrich Bonhoeffer aus der Haft 1944 an einen Täufling, "wird die Sache der Christen eine stille und verborgene sein; aber es wird Menschen geben, die beten und das Gerechte tun und auf Gottes Zeit warten. Möchtest Du zu ihnen gehören und möchte es einmal von Dir heißen: ,Der Gerechten Pfad glänzt wie das Licht, das immer heller leuchtet bis auf den vollen Tag.'" (Spr 4,18)
Dieter Leutert
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.