Andacht vom 15.10.2006:
Das vergessene Ich
Ich will euer Vater sein und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein. 2. Korinther 6,18 (Gute Nachricht Bibel)
Ein Algerier mit zahlreichen falschen Namen hat nach fast 15 Jahren illegalen Aufenthalts in Belgien seine wahre Identität vergessen. Er wusste einfach nicht mehr, wie er wirklich heißt. Selbst seine Anwältin konnte ihn nicht im Untersuchungsgefängnis besuchen, weil dort niemand wusste, unter welchem Namen er einsaß. Als Karim Tabit und unter sieben weiteren Pseudonymen wurde der Algerier wegen illegalen Aufenthalts, Dokumentenfälschung und Diebstahls angeklagt und zu einem Jahr Haft verurteilt.
Hier stellt sich die Frage: Wer bin ich? Dass auch wir wie der Algerier unseren Namen vergessen, wird wohl kaum vorkommen. Doch wer sind wir wirklich? Wir kennen wahrscheinlich unsere Eltern und Großeltern. Manche betreiben Ahnenforschung und können ihre Vorfahren bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Wenn dann unter ihnen ein berühmter Mann oder eine bedeutende Frau ist, hebt dies das Selbstwertgefühl ebenso wie eine Familie, die zusammenhält, Erfolg im Beruf oder eine besondere Fähigkeit, für die man bewundert wird.
Aber wie steht es mit Menschen, die krank oder behindert und daher nicht so leistungsfähig wie andere sind? Was ist von denen zu halten, die auf der sozialen Stufe ganz unten stehen? Vielleicht bin ich aber auch nur ein "Durchschnittsmensch", der nichts Besonderes aufzuweisen hat und sich minderwertig vorkommt.
Wir brauchen nicht nach Anerkennung zu streben oder uns weniger wert als andere zu fühlen. Wir können zur besten Familie gehören, die es nur gibt. Wir dürfen Söhne und Töchter Gottes sein. In der Bibel werden unsere Wertbegriffe auf den Kopf gestellt: "Gott hat sich die Schwachen ausgesucht, die aus menschlicher Sicht Einfältigen, um so die Klugen zu beschämen. Gott nahm sich der Schwachen in dieser Welt an, um die Starken zu demütigen. Wer von Menschen geringschätzig behandelt, ja verachtet wird, wer bei ihnen nichts zählt, den will Gott für sich haben." (1 Ko 1,27.28 Hfa)
Wir dürfen neu anfangen und Gott dafür danken, dass wir "wunderbar gemacht" sind (Ps 139,14), auch wenn wir meinen, dass es gar nichts Wunderbares an uns gibt. Gott liebt uns und hat uns Nachfolger Jesu in seine Familie aufgenommen.
Holger Teubert
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.