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Verfasser: Pierre Intering
Erschienen in:Top Life Aktuell 1702

Vergessenes Erbe

Geschichte gehört nicht zu den beliebtesten Fächern in der Schule und wird auch von den Erwachsenen nicht unbedingt als Hobby gepflegt. Wer hat schon Lust, dem staubtrockenen Vortrag eines Geschichtelehrers zuzuhören und mit Jahreszahlen derart zugemüllt zu werden, dass man nur noch den einen Wunsch hegt, das aktuelle Datum um eine Stunde nach vorne zu stellen … endlich vorbei! ...

Jeder Geschichtelehrer wird wohl über diese negative Schilderung eines Unterrichts entsetzt sein - mit Recht. Denn Geschichte wird heute oft ganz anders unterrichtet, als es in früheren Jahren der Fall war. Und trotzdem fehlt nach wie vor die Begeisterung für das zu Unrecht verschmähte Fach, denn "Geschichte" hat einen weitaus größeren Anteil in unserem Leben, als uns bewusst ist. Unser Leben wird zu einem gar nicht so geringen Teil davon geprägt, wie wir die Vergangenheit kennen, verstehen und welche Lehren wir daraus ziehen. Deshalb ist für Politiker die Geschichte ein willkommener Fundus, aus dem sie nach Belieben und Bedarf schöpfen. Dinge werden mit dem Hinweis auf vergangene Erlebnisse kleingeredet oder dramatisiert - wie man es gerade braucht.

Nichts Neues unter der Sonne

Da wir größtenteils aus Erfahrungen lernen, kann die Vergangenheit eine wertvolle Lehre dafür sein, wie wir etwas machen oder ob wir etwas unterlassen. Und sie ist auch in einem gewissen Sinn ein Gradmesser dafür, wohin wir uns bewegen - vorwärts, was natürlich mit Risiken verbunden ist, oder rückwärts zu manchem, was wir schon überwunden geglaubt haben. So stellt man immer wieder fest, dass es kaum etwas gibt, was nicht schon einmal da war. Und gerade deshalb ist es wichtig zu wissen, wie man sich damals verhielt, welche Entscheidungen man traf und welches Ergebnis dabei herauskam.

Fortschritt und Stillstand

Wenn wir uns in dieser Ausgabe von Top Life Aktuell wieder mit dem Thema "Reformation" auseinandersetzen, geschieht dies nicht, um bestehende Organisationen und Kirchen anzugreifen und ihnen das gleiche Verhalten heute zu unterstellen. Tatsache ist, dass sich vieles geändert und man aus Fehlern gelernt hat. Es ist aber auch wahr, dass man Glaubensgrundsätze und Vorstellungen, die zu solch einem Missbrauch im dunklen Mittelalter geführt haben, immer noch nicht als Irrtum bezeichnet, sondern sie nach wie vor als gültig betrachtet. Auch wenn sie nicht mehr so radikal vertreten werden, bleiben sie doch ein grundsätzliches Problem. So sympathisch der Papst heute ist und seine Botschaften zumindest für katholische Ohren recht revolutionär klingen, bleiben sein Amt und das Amtsverständnis des Papsttums umstritten und mit dem biblischen Wort unvereinbar.

Wir möchten der Frage nachgehen, warum es so viele christliche Kirchen und Gemeinschaften gibt. Die noch von manchen ersehnte „eine wahre Kirche“, die den Glauben doch viel einfacher machen würde, bekommt ein anderes Gesicht, wenn man weiß, wohin solche Vorstellungen geführt haben. Da der geistliche Einfluss allein nicht zum ersehnten Ziel einer wahren, großen, einheitlichen Kirche führen konnte, wurde in der Vergangenheit der staatliche Arm benutzt, um die Ziele erfolgreicher umzusetzen. Die Folgen dieser Verbindung zwischen Kirche und Staat werden zu Recht als dunkel und grausam beschrieben. Sie dürfen wegen ihrer unheilvollen Auswirkung auch nie in Vergessenheit geraten. Durch die Vergangenheit können wir für die Zukunft lernen. Dass dies leider nicht immer so ist, ist eine betrübliche Tatsache.

Nicht irrtumslos

Die Reformation bildete eine Wegmarke für den Fortschritt. Dass sie sich dabei auch schwer tat, so manche angelernten Muster und Gewohnheiten abzulegen, stimmt auch. Wenn man sich ein wenig in die damalige Zeit versetzt, ist dies bis zu einem bestimmten Maß auch verständlich. Wir sind in gewisser Weise immer "Kinder unserer Zeit" - der eine mehr, der andere weniger. Selbst wenn man gegen eine Sache berechtigt protestiert, kann man blind für eine andere Sache sein, die es auch abzulegen gilt. In diesem Sinn ist Reformation immer ein fortschreitender Prozess, der nie völlig frei von Irrtum ist und bei dem auch die Gefahr besteht, sich in eine falsche Richtung zu entwickeln. Zu Recht distanzieren wir uns heute von dem, was so mancher Reformator in der einen oder anderen Sache vertreten hat. Missstände und Aberglaube waren derart verbreitet, dass es mehr als ein Menschenleben brauchte, sich von den alten Vorstellungen und Gewohnheiten zu lösen.

Vergessenes Erbe

Es sollte auch bedacht werden, dass die protestantischen Pioniere entsetzt wären, wenn sie sehen könnten, wie man heute mit dem schwer erkämpften Glaubensgut umgeht, für das sie früher ihr Leben riskierten oder sogar lassen mussten. Der Protestantismus im Allgemeinen verdient diesen Namen nicht mehr. Überall dort, wo biblische Grundsätze und Lehren kaum noch eine Rolle spielen, kann man sich nicht mehr auf die Reformatoren berufen. Diese hatten nicht vor, neue Kirchen zu gründen. Es sollte eine Bewegung angestoßen werden, die die bestehende Kirche reformiert. Außerdem sollte jedem Gläubigen klar sein, dass der Glaube eine persönliche Angelegenheit ist, die unabhängig von Kirche und Umständen immer wieder lebendig ihre Kraft entfalten sollte. Nur so hatte der Glaube einen Wert und konnte sich im Alltag bewähren. Dass er überhaupt zur jahrhundertelangen Unterdrückung und zu Religionskriegen führte, darf getrost als einer der größten Irrtümer der Kirchengeschichte bezeichnet werden. Jeder Schlachtruf im Namen des Kreuzes ist ein Peitschenhieb auf den Rücken von Jesus Christus. Er lehnte jegliche Gewalt ab und stellte seinen himmlischen Vater so dar, wie er wirklich ist. Sich darauf zu besinnen ist auch heute das Gebot der Stunde.

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