Andacht vom 22.11.2008:
Pinselstrich - durch die Rechnung
Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind. Römer 8,28
Dies ist immer noch einer der schwierigsten Texte der Bibel. Nicht dass er schwer verständlich wäre, nein. Die Worte sind deutlich und eindeutig. Aber bei allem, was uns an Schrecklichem oder einfach Widrigem im Leben begegnet, bleibt diese Erkenntnis, die sich scheinbar nur in den guten Zeiten, den gelungenen Plänen, den erfolgreichen Erfahrungen, zu bewahrheiten scheint.
Ein berühmter Maler arbeitete an der Kuppel einer großen Kathedrale. Dabei musste er auf einem Gerüst weit über dem Boden stehen, das unter der Decke dieser Kirche befestigt war. Dort malte er monatelang mit seinen Gehilfen, und als sein Meisterwerk fast abgeschlossen war, galt es, die letzten markanten Pinselstriche einzufügen. Der Künstler war sehr zufrieden mit seiner Arbeit und so eingenommen von dem Anblick, dass er, um einen besseren Eindruck zu bekommen, ein paar Schritte zurücktrat, um sein Werk besser betrachten zu können. Plötzlich stand er, ohne es zu merken, am Rand des ungesicherten Gerüsts und war im Begriff, noch einen Schritt nach hinten zu gehen. Seinem Gehilfen blieb fast das Herz stehen, schnell nahm er seinen Pinsel und machte einen hässlichen Strich quer durch das Werk. Mit einem Aufschrei sprang der Meister nach vorne, schockiert über die Entstellung seines Kunstwerks. Erst dann konnte sein Schüler ihm erklären, warum er das getan hatte, und der Maler konnte seinem Schüler nur dafür danken, dass dieser ihm mit seinem "Eingriff" das Leben gerettet hatte.
Ich könnte Dutzende von Erlebnissen aufzählen, in denen mir hässliche Striche durch meine Pläne und Werke gemacht wurden. Momente, in denen ich mich entsetzlich über andere Menschen oder sogar Gott geärgert habe. Situationen, in denen ich alles andere gerne gehört hätte, außer der frommen Weisheit aus unserem Ausgangstext.
Aber ich habe Gott auch als den kennen gelernt, der unendlich liebevoll und segensreich in meinem Leben wirkt und dem ich immer wieder dafür danken muss, dass meine Pläne hin und wieder ordentlich scheitern. Diese Dankbarkeit jedoch stellt sich nicht immer sofort ein, und auf manche Erklärung werde ich wohl noch warten müssen.
Doch wir dürfen uns jeden Tag sicher sein, dass Gott es gut mit uns meint, das Beste für uns will, auch wenn die Wege dahin nicht immer verständlich und leicht sind.
Dennis Meier
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.