Andacht vom 24.01.2011:
Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Und von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen. Wer mich sieht, der sieht den Vater! Johannes 14,7.9b
Gott ist vor unseren Augen verborgen und doch können wir ihn auf wunderbare Weise sehen: "Wer mich sieht, der sieht den Vater!" versicherte Jesus. Gott hat sich bereits im Alten Testament auf vielerlei Weise offenbart, doch nun hat Jesus am deutlichsten gezeigt, wer und wie Gott ist. Er "ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens" (Hbr 1,3). Jesu Vollmacht, seine Sündlosigkeit, seine Vollkommenheit im Reden und Handeln hatten die Jünger immer wieder erlebt. Doch andere hatten ihn ganz anders gesehen: "ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder!" (Mt 11,19)
Als Jesus zum Beispiel nach der Berufung eines Zöllners in seinen Jüngerkreis mit dessen Kollegen und anderen Sündern Gastfreundschaft praktizierte, wurde scharfe Kritik laut, denn die Tischgemeinschaft war damals Ausdruck einer sehr engen Beziehung. Jesus erklärte dazu, Barmherzigkeit sei wichtiger als kultische Korrektheit und: "Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen." (Mt 9,13)
Die vier Evangelien berichten vom Umgang Jesu mit religiös oder moralisch Verachteten: von seinem Verhalten gegenüber Huren; gegenüber Samaritern, die den Juden als Ketzer galten; gegenüber den im Dienst der Römischen Besatzungsmacht stehenden Zöllnern. Jesus hatte nie - was ihm die Pharisäer sicher unterstellten - Sünde gut geheißen oder beide Augen vor Unmoral verschlossen. Aber er sah sich als Arzt (Mt 9,12), der ja auch nicht Kranke abweist, auch wenn sie an ihrem Kranksein selbst schuld sind, sondern sich verpflichtet hat, in jedem Fall zu helfen und zu heilen.
Jesus vermochte, was uns immer wieder schwer fällt oder als Unrecht erscheint: an göttlichen Maßstäben festzuhalten und gleichzeitig denen mit Barmherzigkeit zu begegnen, die daran schuldig geworden sind. "Christus wird niemals einen Menschen im Stich lassen, für den er gestorben ist. Auch wenn derjenige sich von ihm abwendet und einer Versuchung unterliegt, so wendet er sich doch von keinem ab, für den er mit seinem Leben das Lösegeld bezahlt hat." (Ellen G. White, Das bessere Leben im Sinne der Bergpredigt, S. 119)
Joachim Hildebrandt
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.