Andacht vom 02.12.2004:
Wer ist der wahre König?
Nathanael antwortet ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel! Johannes 1,49
"Ohne Glauben erweisen sich die Worte des Evangeliums als wirklichkeitsfremd und überzogen; ohne Glauben ist dem Geheimnis der Person Jesu nicht beizukommen. Wo hingegen der Anspruch Jesu im Glauben angenommen wird, da erkennt man hinter seinen Worten einen verlässlichen Grund. Denn >glauben< im Sinne der Schrift bedeutet nichts anderes als Offensein des Menschen für Gottes Handeln in der Zukunft; es bedeutet Vertrauen in die Treue Gottes, auf Grund dessen er zu seinem Wort steht. Das Vertrauen auf Gottes Wahrhaftigkeit löst die Spannung auf, die seine Zusagen im Angesicht der uns umgebenden Wirklichkeit hervorrufen.
Wenn Jesus schon zu Beginn seines Wirkens mit königlichem Anspruch auftritt, so rechnet er offenbar mit dem Vertrauen seiner Nachfolger ... Dass dieses Vertrauen nicht umsonst und damit auch dem Anspruch Jesu nicht unangemessen ist, hat die Welt an jenem Tag erfahren, an dem sich Jesus vom Tod erhob. Damit beseitigte er ein für alle Mal die Spannung, die bis dahin zwischen seinem königlichen Anspruch und der sichtbaren Wirklichkeit bestand. Denn wer das alles beherrschende Prinzip des Todes und der Vergänglichkeit durchbricht, ist nicht allein der 'König von Israel', sondern auch der Herr der Welt.
Allein, verbirgt sich nicht auch hinter dieser Feststellung ein wirklichkeitsfremder Anspruch, der uns heute genauso zum Widerspruch reizt wie die Menschen vor zweitausend Jahren? So ist es! Die Erfahrung der Distanz zwischen Wort und Antwort, zwischen Verheißung und Erfüllung, zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist eine Grundsituation der christlichen Existenz ... Darum heißt glauben nichts anderes als Gott Zeit lassen, seine Versprechen an die Menschen wahr zu machen. Was vom Christen erwartet wird, ist eine hoffende, nach der Zukunft hin offene Grundhaltung, deren Fundament Gottes unerschütterliche Treue und Wahrhaftigkeit ist."
(aus: Thomas Domanyi, Dennoch glauben, S. 66)
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.