Andacht vom 21.12.2004:
Vollendetes Glück
Geben macht glücklicher als Nehmen. Apostelgeschichte 20,35 (Hoffnung für alle)
Der russische Schriftsteller Nikolai Leskow (1831-1895) schreibt in einer seiner Erzählungen, seine Großmutter hätte ihm als Jungen einmal einen "Heckrubel" geschenkt. So ein "Heckrubel" kehrt immer wieder in die Tasche zurück. Muss man hundert Rubel bezahlen, braucht man nur hundertmal in die Tasche zu greifen und denselben Rubel herausholen. Doch man besitzt ihn nur so lange, wie man ihn nicht für irgend etwas Nutzloses ausgibt.
Auf dem Weihnachtsmarkt ersteht der Junge Trillerpfeifen für arme Kinder und teilt sie aus. Süßigkeiten und Nüsse erwirbt er für sich selber, größere Geschenke aber für andere. Zu seiner Freude findet er stets das Geldstück in seiner Tasche wieder. Nun ist er zum Mittelpunkt des Jahrmarkts geworden. Es gefällt ihm, dass jeder ihm hinterherläuft und ihn wegen seiner Freigebigkeit lobt.
Plötzlich aber scharen sich alle um einen anderen. Dieser trägt eine Weste mit glitzernden Glasknöpfen und gibt damit an. Als der Junge die Weste kaufen will, um weiterhin bewundert zu werden, kann er den "Heckrubel" nicht mehr finden. Da wird er wach. Es war nur ein Traum.
Wie in jedem Jahr vor Weihnachten schenkt die Großmutter dem Kind einen Rubel, und der Junge erzählt ihr den Traum. Daraufhin sagt sie: "Was immer man für das Glück seiner Mitmenschen tut, nie wird es den Reichtum des eigenen Herzens vermindern. Doch Eitelkeit trübt den Verstand."
Der Junge entschließt sich, mit dem Rubel nur Geschenke für andere zu kaufen und nichts für sich. Er erlebt: "Als ich schließlich so handelte, wie ich mir vorgenommen, da erstand in meinem Herzen eine solche Freude, wie ich sie nie zuvor verspürt. In diesem Verzicht auf eigenes Vergnügen zum Wohle anderer lernte ich zum ersten Mal das kennen, was die Menschen mit dem zauberischen Wort "vollendetes Glück bezeichnen, jenen Zustand, da einem nichts mehr zu wünschen übrig bleibt."
Kurt Selchow
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.