Andacht vom 23.01.2005:
Wie schneiden wir ab?
Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Lukas 18,11
Wem täte es nicht gut, im Vergleich mit anderen besser abzuschneiden? Warum profitieren wir eigentlich so gern von den vermeintlichen oder tatsächlichen Schwächen anderer? Wir alle haben mehr oder weniger von Anfang an erfahren: Für seine Stärken wird man geliebt und mit Anerkennung belohnt. Aber unter seinen Schwächen hat man zu leiden. Wer zu langsam ist, wird angetrieben; wer sich tollpatschig anstellt, gehänselt; wer etwas falsch macht, bestraft. Wer Schwächen offenbart, muss um seine Anerkennung fürchten. Was liegt näher als der verzweifelte Versuch, dass man seine Schwächen hinter denen anderer Leute verbirgt, um wenigstens im Vergleich mit ihnen gut dazustehen! Aber das funktioniert nur kurzfristig und scheinbar. Denn niemand verliert seine Schwächen, indem er auf die Fehler seiner Mitmenschen blickt. Mein Leben kommt nicht dadurch in Ordnung, dass ich es an der Unordnung bei einem anderen messe. Außerdem gib es auch Menschen, die mir überlegen sind! Im Vergleich mit ihnen schlägt meine Selbstsicherheit sofort um in Selbstverachtung. Allenfalls kann ich mich zu Lasten anderer aufwerten.
Wie kommt man heraus aus diesem Teufelskreis? Es müsste jemand sagen: "Mir bist du viel wert. Für mich sprechen deine Schwächen und Fehler nicht gegen dich, auch nicht deine Schuld. So wie du bist, achte ich dich, weil ich dich liebe." Das sind Worte, die Kraft haben, die dem Leiden an unserer eigenen Schwäche ein Ende setzen. Es sind Worte Gottes, mit denen jeder Mensch angesprochen ist. Wer sie für sich als Wahrheit annimmt, braucht seinen Wert nicht länger im Vergleichen mit anderen zu suchen.
Michael Götz
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.