Andacht vom 15.03.2005:
Lebensbrot
Ich bin das Brot... Johannes 6,35
Einige Monate lag ich mit einem Bäckermeister zusammen in einem Zelt. Wir waren Kriegsgefangene in einem amerikanischen Lager und hatten beide Hunger - Hunger nach Brot. Ich höre noch den Bäcker sagen, der sich sonst mit Brot sein Geld verdient hatte: "Ich habe nie recht begreifen können, warum die Menschen um das ,täglich Brot' so ein Wesen machen; jetzt, wo ich Hunger habe, verstehe ich das."
Heute, da wir Brot in Hülle und Fülle haben und zwischen unzähligen Sorten wählen können, wissen wir oft nicht mehr zu schätzen, was wir da eigentlich haben.
Es ist gut, dass wir nicht hungern müssen, aber es ist bedenklich, wenn uns dadurch der Wert des Brotes verloren geht. Wer betet denn noch: "Unser tägliches Brot gib uns heute"? Es ist doch täglich da!
Hungrige lassen sich mit Brot, selbst mit trockenem, zufrieden stellen. Satte empfinden trockenes Brot als Zumutung oder gar als Strafe.
Zugegeben, das Brot, das wir beim Bäcker kaufen, kann nicht jeden Hunger stillen. "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein", sagt Jesus, "sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht." (Mt 4,4) Auch dieses Brot ist heute reichlich vorhanden! Buchhandlungen offerieren Bibeln in zahlreichen Ausführungen, aber was nützt das Angebot, wenn ich es nicht annehme? Die Kraft des Brotes erfahre ich erst, wenn ich's esse; das ist bei dem "Brot", das Jesus anbietet, genauso wie bei dem Brot, das wir beim Bäcker kaufen. Und bedenken wir: Man kann nicht auf Vorrat essen, man muss es täglich tun. Darum sollten wir für das eine wie für das andere bitten: "Unser tägliches Brot gib uns heute."
Lothar Reiche
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.
