Andacht vom 20.05.2005:
Gemeinsame Abhängigkeit
Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft. Apostelgeschichte 2,42
Zu den wesentlichen Merkmalen der aus der Pfingstpredigt entstandenen Gemeinde gehört die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander. Damit ist keine bloße Interessengemeinschaft gemeint, die sich gemeinsame Ziele steckt, so wie vielleicht Briefmarkensammler oder Sportler. Vielmehr gründet sich christliche Gemeinschaft auf die Abhängigkeit von Jesus. Das verbindet alle ihre Glieder ungeachtet ihrer persönlichen Unterschiede.
Diese Art Gemeinschaft darf keinesfalls mit Einförmigkeit oder Uniformität verwechselt werden, bei der alle in gleicher Weise denken und handeln. Christliche Gemeinschaft bedeutet vielmehr Vielfalt in der Einheit.
Persönliche Unterschiede sind dabei zweitrangig, weil man sich unter dem Kreuz als Schwestern und Brüder begegnet, in dem Wissen, dass jeder gleichermaßen von Christi Opfer abhängig ist. Darum übertrifft christliche Gemeinschaft alle anderen Arten von Gemeinschaft.
In der Gemeinschaft mit Christus wird uns die Zusage zuteil, dass wir ihm gehören, und wir machen dabei die Erfahrung des Angenommenseins. Das heißt, ich weiß, wohin ich gehöre, ich muss mich nicht erst beweisen und bin auch nicht gezwungen, die Erwartungen anderer zu erfüllen. Ich darf sogar schwach sein, denn Gemeinschaft muss sich im gemeinsamen Tragen bewähren können. Paulus sagt, in wahrer Gemeinschaft gilt: "Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden." (Rö 12,15)
In der Gemeinschaft der Gläubigen haben wir darauf zu achten, dass immer noch Raum bleibt, wo jeder für sich allein sein kann. Es wäre eine Überforderung, würde eine Gemeinschaft verlangen, dass jeder alle seine Gedanken und Gefühle mit anderen teilt. Wo versucht wird, Gemeinschaft derart zu verabsolutieren, kann man vor lauter Enge nicht mehr atmen. Nur wenn jedem in der Gemeinschaft die Freiheit belassen wird, innerlich seinen ganz persönlichen Weg zu gehen, kann Gemeinschaft für alle fruchtbar sein.
Manfred Böttcher
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.