Andacht vom 25.05.2005:
Der Marder
Haben wir nicht alle unsere Fehler? Jakobus 3,2 (Hoffnung für alle)
Ein herrlicher Sommermorgen. Wir sind in einem kleinen Ort zu Besuch bei Freunden. Sie wohnen in einer wunderschönen Gegend. Wie ruhig, wie friedlich alles ist! Die Gärten - es blüht und duftet. Wahrlich ein Paradies! - Dann will ich mein Auto starten, aber der Motor sagt keinen Mucks. Ich mache die Motorhaube auf und sehe: In der Nacht hat ein Marder einige Zündkabel zernagt. Also gibt es doch in dieser Welt kein Paradies ohne Schlange - in diesem Fall ein Marder. Ich komme ins Philosophieren. Soll man sich mit jedem Übel abfinden? Dann säßen wir noch in Schmutz und Elend und hätten keine Zivilisation. Oder sollte man alle Marder abschießen, alles, was uns nicht gefällt, mit Stumpf und Stiel ausrotten? So würden wir bald die Natur zugrunde richten, die bereits geschädigt ist. Nein, Gott hat uns Verstand gegeben, damit wir unser Leben sinnvoll gestalten und schützen können. Übertriebener Vollkommenheitsdrang wäre verkehrt. Einerseits würden wir in Blindheit vieles vernichten, was irgendwo einen Nutzen hat, andererseits würden wir uns völlig erschöpfen, weil wir unser Ziel nie erreichten. Notwendig ist eine realistische Einschätzung der Lage! Und gilt das nicht auch für das menschliche Miteinander?
Es gibt kein Paradies, wo einer den andern vollkommen versteht, auch keine Gemeinde, in der alle eines Sinnes sind. "Haben wir nicht alle unsere Fehler?" fragt Jakobus. Natürlich, Missstände dürfen nicht geduldet werden. Aber wollte ich alles Unvollkommene beseitigen, müsste ich dann nicht bei mir anfangen? Bin ich nicht dankbar, wenn man mir bei einem Fehler nachsichtig begegnet?
Gott allein kann ein Paradies erschaffen. Und er wird es tun! Er ist schon bei der Arbeit, unsere Herzen dafür vorzubereiten, indem er uns in seine Erziehung nimmt. Trotz aller Mängel dieser Welt sollen wir uns erfreuen an der Schönheit der Natur und an der Liebe treuer Menschen. Die Schönheit jenes Sommermorgens ist mir in Erinnerung geblieben - trotz des Marders.
Konrad Edel
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.
