Andacht vom 21.06.2005:
Ungewöhnliche Heilmethode
Als er das gesagt hatte, spuckte er auf die Erde, machte daraus einen Brei und strich den Brei auf die Augen des Blinden. Johannes 9,6
"Die Heilung des Blindgeborenen" - so ist der Bericht aus dem Johannesevangelium überschrieben. Der Heilung geht eine kurze Predigt Jesu voraus. Daraus wird deutlich: erstens, dass Krankheit keine Strafe ist, und zweitens - es war gerade Sabbat -, dass jede Gelegenheit, Gutes zu tun, genutzt werden muss.
Was uns am meisten verwundert, ist die Sache mit dem Brei. Aus Spucke und Erde rührt Jesus eine Art Heilerde an. Noch viermal wird in dem Bericht der Brei erwähnt. Wer die Arbeitsweise so genannter literarischer Ausschüsse kennt, weiß: Die hätten die Sache mit dem Brei gestrichen. Genügt für das Wunder nicht ein Wort? "Sprich nur ein Wort ...", lesen wir sonst immer.
Manche vermuten, dass Jesus hier an die damalige Volksmedizin anknüpfte (Heilkraft des Speichels) und sich damit dem Denken des Blinden anpasste. Andere nehmen an, dass Jesus die Arbeit, die mit der Bereitung des Breies verbunden war, bewusst wählte, um die engen Sabbatvorstellungen vieler seiner Glaubensgenossen auszuräumen. Ein Wort hätten sie noch akzeptiert, aber Arbeit am Sabbat?
Die Bibel schweigt über den Grund dieser Tat Jesu. In ähnlichen Berichten (vom heilsamen Berühren der Kleider und Tücher Jesu und der Apostel) fehlen ebenfalls Erklärungen. Das ist gut so. Vielleicht sollen wir davor gewarnt werden, Jesus in ein theologisches System zu pressen, sollen ihn nicht so eng, nicht so bürokratisch sehen. Jesus ist der Heiland auch der Kinder und Einfältigen. Ihm geht es darum, Vertrauen zu gewinnen, den Glauben zu stärken; es geht ihm um die Liebe, ums Helfen. Aber es geht ihm nicht darum, es allen recht zu machen.
Dieter Leutert
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.