Andacht vom 11.05.2006:
Liebesopfer
Habt euch untereinander beständig lieb aus reinem Herzen. 1. Petrus 1,22
Kurz nach dem Mittagessen wird der Häftling in den Verwaltungstrakt des Gefängnisses geführt. Mit den Worten "Sie sind verhaftet!" legen ihm zwei Polizeibeamte Handschellen an. Anschließend geht es zur Polizeiwache, wo ihm eröffnet wird, dass er mit sofortiger Wirkung auf freiem Fuß ist. Eine unglaubliche Geschichte? Nein! Als Kinder hatten sich Norbert K. und sein Bruder versprochen, immer für einander da zu sein. Dann geriet der jüngere auf die schiefe Bahn und wurde zu einer Haftstrafe verurteilt. Weil sein älterer, bisher nicht straffälliger Bruder gerade arbeitslos war und nichts anderes vorhatte, ging der kurzentschlossen für ihn mehrere Monate ins Gefängnis, bis zu eben jenem 29. November 2001, als die Hamburger Polizei ihn im Gefängnis verhaftete, um ihn in die Freiheit zu entlassen.
Liebe ist bereit, Opfer zu bringen. Das passt eigentlich überhaupt nicht in unsere Zeit der Spaß- und Genusskultur, die auf sofortige Befriedigung der eigenen Wünsche aus ist. Da das Leben für viele Menschen über den Tod hinaus sowieso keine Perspektive bietet, setzen sie alles daran, so viel Genuss und Vergnügen wie nur eben möglich im eigenen Leben zu haben. Hauptsache, mir geht es gut und kann mir alles leisten.
Es ist leicht, so über Menschen zu urteilen. Auch wenn es berechtigt sein mag, hilft es mir in meinem Leben und uns in der Gemeinde überhaupt nicht weiter, wenn wir an obigem Bibelwort vorbeigehen. Du und ich, wir sind von Gott aufgerufen, einander aus reinem Herzen im liebevollen Geist Jesu Christi zu begegnen. Wir sind nicht verantwortlich für die Grundsätze, nach denen die Menschen unserer Gesellschaftleben. Wir sind nur verantwortlich für unser eigenes Verhalten! Dass es damit manchmal hapert, ist nicht gerade eine gute Werbung für die Sache Gottes. Dies ehrlich zur Kenntnis zu nehmen, sich selbst in Bezug auf den Umgang mit den Mitmenschen zu hinterfragen und Gott um Kraft für die Praxis zu bitten - das ist die angemessene Schlussfolgerung aus diesem Bibelwort.
Heinz-Ewald Gattmann
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.