Andacht vom 24.06.2006:
Warten auf - Jesus!
So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Jakobus 5,7
Im Jahr 1818 kam der bis dahin unbekannte, nordamerikanische Farmer und Baptist William Miller (1782-1849) zu einer aufregenden Erkenntnis. Nach intensivem Studium biblischer Prophezeiungen glaubte er, dass etwa 1843 das Ende der Welt kommen und Christus für alle sichtbar erscheinen würde. Diese Erkenntnis machte ihm zunächst Angst. Dreizehn Jahre lang behielt er seine Entdeckungen für sich. Doch dann fühlte er sich von Gott gerufen, "die Welt vor dem Untergang zu warnen". "Ich sehe ständig die Seelen der Menschen vor mir, ob ich wach bin oder schlafe. Ich sehe wie Tausende verloren gehen," schrieb er. So wurde er zum Begründer der neueren Adventbewegung.
In Amerika glaubte man damals an ein goldenes, tausendjähriges Zeitalter des Friedens und des Wohlstandes vor der Wiederkunft Christi. Von der Naherwartung Christi, wie Miller sie verkündigte, war man überrascht. Trotzdem fand die Botschaft großen Anklang. Es entstand eine Erweckungsbewegung. Auf ihrem Höhepunkt zählte man 50 000 bis 100 000 Anhänger mit 500 Predigern und 1500 Mitarbeitern. Miller wollte keine neue Kirche gründen, sondern die Botschaft von der baldigen Wiederkunft Christi in die bestehenden Kirchen hineintragen. Als der errechnete Zeitpunkt verstrich, ohne dass Christus wiederkam, war die Enttäuschung groß. Die Bewegung zerfiel. Miller starb fünf Jahre später im Alter von 67 Jahren. Er glaubte bis zuletzt an das baldige Kommen Christi.
War Miller ein falscher Prophet? War es Paulus, als er schrieb: "Wir, die wir leben und übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn ..."? (1 Th 4,15) War es Martin Luther, als er sagte: "Ich sage wahrlich, der Tag des Gerichts kann keine vollen dreihundert Jahre mehr ausbleiben"? - Nein, die Erwartung der Wiederkunft Jesu ist immer eine Naherwartung. Wir kennen aus der Kirchengeschichte eine Reihe von Männern, die in ihrer Begeisterung zu weit gingen und Termine festlegten. Doch das Erbe dieser Gläubigen ist es, dass der Glaube an Jesu Wiederkunft heute in vielen christlichen Kirchen und Gemeinschaften lebendig ist.
Günter Lentzsch
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.
