Andacht vom 01.09.2006:
Gruß aus Tschernobyl
Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb. Markus 10,21
Im Januar 2002 fand in den Räumen der Theologischen Hochschule Friedensau (bei Magdeburg) eine Ausstellung mit Bildern des Moskauer Malers Pawel Nikolajew statt.
Als ich die auf Holz gemalten Bilder zum ersten Mal sah, war ich ein wenig enttäuscht. Meine Vorstellungen von traditioneller russischer Malerei gingen in eine andere Richtung. Dann aber hörte ich, dass der Künstler während seiner Armeezeit zu jenen Soldaten gehört hatte, die nach Tschernobyl abkommandiert worden waren, um dort das radioaktiv verseuchte Material mit Schaufeln zu beseitigen.
Seitdem wusste er, dass ihm nicht mehr viel Zeit zum Leben blieb. Von dieser Botschaft sprechen seine Bilder.
Nachdem ich mit diesem Lebensschicksal konfrontiert worden war, fing ich an, die Kunstwerke besser zu verstehen. Da waren es zum Beispiel nicht mehr nur einfach Tiermotive in naiver Darstellungsweise. Jetzt bemerkte ich mit einem Mal die großen, freundlichen Augen einer Krähe oder das übers ganze Maul lachende Krokodil. Es schien einfach alles zu leben.
Je länger ich hinsah, umso mehr zogen mich die Darstellungen in ihren Bann. Sie strahlten so eine unendliche Freundlichkeit aus. Und ganz unwillkürlich musste ich denken: So ist Gott, mit solchen Augen sieht er uns an!
Nur wenigen gelingt es, die unendliche Liebe Gottes verständlich zu machen. Jesus hat es in seinem Leben getan, doch auch er wurde häufig missverstanden. Aber er hat nie aufgegeben.
Johannes Hartlapp
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.