Verfasser: | Mag. Esther Neumann |
Erschienen in: | Top Life Aktuell 1204 |
Gartenarbeit für und mit Leib und Seele
Erde umgraben, Samen hineinlegen, Blumen, Sträucher und Gemüse pflanzen tut nicht nur dem Körper gut, sondern auch der Seele. Mehr noch, Gartenarbeit verströmt sogar heilsame Kräfte.
Der Umgang mit Rechen, Gießkanne und Spaten gehört mit zur Therapie, wenn es darum geht, psychisch kranken Menschen wieder auf die Beine zu helfen. Auch Bewohner von Altersheimen, die aus ihrem bisherigen Lebensumfeld gerissen worden und in die Abhängigkeit von pflegendem Personal gekommen sind, profitieren vom Umgang mit Pflanzen. Sogar auf Straffällige wirkt die Beschäftigung im Garten beruhigend und ausgleichend.
Auswirkungen der Gartenarbeit auf den Körper
Schon nach einigen Minuten Aufenthalt im Freien beginnt der Blutdruck zu sinken, der Puls wird ruhiger, die Herzfrequenz gleichmäßiger. Muskelverspannungen lösen sich, Koordination und feinmotorische Fähigkeiten verbessern sich, der Stoffwechsel wird angekurbelt und die allgemeine Stimmung steigt. Durch die Bewegung stabilisiert sich der Kreislauf, und psychische Spannungen werden abgebaut.
Auswirkungen auf die Psyche
Vom Umgang mit den Pflanzen kann man den Umgang mit sich selbst lernen. Pflanzen besitzen einen starken Überlebenswillen, sie können sich anpassen, sie stellen sogar selber her, was sie zum Überleben brauchen. Sie zeigen uns Werden, Wachstum, Reifen, aber auch Rückzug, Absterben und Vergehen. Bei der Gartenarbeit werden Zusammenhänge erkannt und Wege zur Lösung von Problemen gefunden. Wer im Garten arbeitet, erlebt sich als Handelnder, nicht als Manipulierter oder Ausgelieferter. So lernt man, seine Umwelt zu steuern und fühlt sich nicht hilflos ausgeliefert. Man ist dem Schöpfer, in dessen Hand ja schlussendlich der Erfolg des eigenen Bemühens liegt, sehr nahe. Das schenkt Geborgenheit und wirkt sich auf das seelische Wohlbefinden positiv aus.
Gartenarbeit als Therapie
Schon im 18. und 19. Jahrhundert forderten Philosophen und Pädagogen mehr Grün ins graue Einerlei der Städte. Weise Regenten erlaubten der Bevölkerung den Zutritt zu Parkanlagen, Gärten und Wäldern, die bisher nur dem Adel zugänglich gewesen waren. Wir denken z.B. an den Einzug des Volkes in den Wiener Prater. Psychotherapeuten haben für kranke und alte Menschen, für Menschen in Nöten und Krisen eine überaus wirkungsvolle Therapie entwickelt. Die Gartentherapie ist eine interdisziplinäre Methode. Gärtner, Landschaftspfleger, Ärzte, Psycho-, Physio- und Ergotherapeuten erstellen gemeinsam Programme für ihre Patienten. Sobald ein kranker Mensch nicht mehr bettlägerig ist, kann die Gartentherapie beginnen. Ein eigener kleiner Bereich im Garten, der ihm gehört, für den er Verantwortung trägt, in dem er sich bewegen kann oder muss, ist das beste Trainingsprogramm für ihn. Oft werden das Turnen an Geräten oder die Krankengymnastik ohne viel Begeisterung durchgeführt oder als lästig empfunden. Beim Umgraben, Säen, Setzen und Unkrautjäten vergisst der Patient, dass es sich hier um eine Übung handelt. Dazu kommt noch die Begeisterung, wenn die eigene Ernte eingebracht werden kann. In der freien Natur öffnen sich Menschen ihrem Therapeuten gegenüber auch viel besser als in einem Büro oder Gruppenraum. Sie sind eher für Gespräche zugänglich.
Pflanzen als Therapeuten
Pflanzen nehmen Menschen, wie sie sind. Sie werten nicht. Es ist ihnen egal, ob sie von einem gesunden und jungen Menschen betreut werden oder von einem Depressiven, Süchtigen, Verbrecher oder einer schon recht alten Dame. Pflanzen sind abhängig von demjenigen, der sie pflegt und hegt. Sie reagieren positiv auf Zuwendung und Aufmerksamkeit, sie gedeihen, blühen, wachsen, bringen Frucht. Der Patient wird im Garten also selbst zum Betreuer und zum Arzt. Das verleiht psychisch Kranken neues Selbstbewusstsein, neuen Lebenssinn. Müde Augen fangen plötzlich zu leuchten an, wenn eine wunderbare Blume ihre farbenfrohen Blätter entfaltet oder wenn selbstgezogene Radieschen aus dem Boden gezogen und aufs Butterbrot gelegt werden können. Eine weitere angenehme Nebenwirkung kommt dazu: Die Kranken bekommen durch die körperliche Arbeit wieder Appetit, sie benötigen weniger Medikamente und können wieder besser schlafen.
Gartenarbeit für Gesunde
Wer einen Garten hat, braucht weder Fitnessstudios noch Wellnesseinrichtungen. Nichts baut Stress besser ab als das Wühlen in der Erde. Die Bewegung an der frischen Luft regt den Kreislauf an, stärkt die Muskeln und das Immunsystem. Das Erleben der jahreszeitlichen Abläufe, das neue Erwachen und Vergehen verleihen Festigkeit und Geborgenheit.
Wer ein eigenes Stück Erde zu einem kleinen Paradies gestalten darf, ersetzt so manchen Therapeuten. Dazu kommt noch, dass die Ernte aus dem eigenen Garten einen ganz besonderen Stellenwert für die Gesundheit hat. Obst, Gemüse und Beeren können ausreifen. Sie können zum optimalen Zeitpunkt geerntet werden. Die für die Gesundheit so wichtigen sekundären Pflanzeninhaltsstoffe sind in höherer Anzahl vorhanden als bei unreif geernteten Produkten. Es vergeht weniger Zeit von der Ernte bis zum Verbrauch. Vitamine und das appetitliche Aussehen bleiben erhalten. Dazu kommt die Genugtuung, alles mit eigenen Händen erarbeitet zu haben, und die Sicherheit, dass möglichst wenige Umweltgifte darin zu finden sind.
Keine Angst vor Gartenarbeit
Damit uns die Gartenarbeit nicht erdrückt - sie hört nämlich nie auf - müssen wir uns allerdings an einige Spielregeln halten. Sie darf uns nie beherrschen, wir müssen Herr über sie sein. Überfordert sie uns, müssen wir entweder ehrgeizige Pläne einschränken oder Arbeiten abgeben. Der eigene Garten muss unbedingt auch Erholungsraum sein. Es sollte irgendwo immer eine Hängematte aufgespannt sein, in die man sich bei Gelegenheit zurückziehen kann, um die Natur zu belauschen und auf seine eigene innere Stimme zu hören. Eine lauschige Gartenbank, ein großer Stein oder sonst eine Sitzgelegenheit sollten zum Verweilen einladen. Auf diese Weise wird unser Garten erst zum richtigen Therapeuten und bereitet uns viel Freude.
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