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Verfasser:Mag. Esther Neumann
Erschienen in:Top Life Aktuell 1305

Die Darmflora - das unbekannte Organ

Kühe und Menschen haben eines gemeinsam: In ihnen leben unzählig viele Mitbewohner, Mikroorganismen, Bakterien, deren Anzahl sogar die Zahl der Körperzellen übersteigt. Nur der Ort, an dem diese Mikroorganismen ihre Arbeit verrichten, ist bei Kühen und Menschen sehr verschieden. Bei der Kuh erfolgt der Abbau der Zellulose und anderer Polysaccharide im Vormagen. Dabei entstehen kurzkettige Fettsäuren. Beim Menschen arbeiten die Bakterien erst so richtig im Dickdarm. Auch da entstehen solche Fettsäuren. Die Arbeit dieser Mikroorganismen ist für die Gesundheit von Kuh und Mensch äußerst wichtig.

Den 10hoch13 Zellen des menschlichen Körpers stehen 10hoch14 Bakterien im Ökosystem Mensch gegenüber, also 10 Mal mehr Bakterien als Körperzellen. Im Dickdarm leben wesentlich mehr als im Dünndarm. Rund 1.000 verschiedene Arten und Stämme sind es, die die sehr individuelle Darmflora ausmachen. Es ist bis jetzt unbekannt, wie sie es schaffen, wenn sie einmal kurzfristig durch Antibiotika oder bei der Koloskopie zerstört worden sind, sich so schnell wieder zu einer individuellen Gesellschaft aufzubauen.

Eigentlich ist der Begriff „Flora“ nicht ganz richtig. Flora heißt ja Pflanzenreich. Der Begriff stammt aus der Zeit, in der man die Bakterien noch zu den Pflanzen zählte. Heute weist man sie einer eigenen Gruppe zu. Die Bakterien im Darm bilden keine leblose Masse. Sie betreiben Stoffwechsel. Und bei dieser riesigen Anzahl entstehen Substanzen, die eine Auswirkung auf den ganzen Organismus haben. Man kann die Leistung der Darmflora mit jener der Leber vergleichen, die ja das vielseitigste Stoffwechselorgan ist. Darmbakterien erfüllen für uns viele wichtige Aufgaben. Es ist noch längst nicht alles erforscht.

Aufbau der Darmflora beim Neugeborenen

Im Mutterleib ist der Verdauungstrakt steril. Beim natürlich geborenen Baby beginnt die Besiedelung mit Bakterien während des Geburtsvorganges. Die ersten Bakterien stammen von der Mutter aus der Scheide und von den Händen des pflegenden Personals.

Die nächsten Bakterienarten, die das Neugeborene besiedeln, kommen vom Hautkontakt der Mutter durchs Stillen und über die Muttermilch. Die Nahrung, die das Kind erhält, spielt eine wichtige Rolle. Mit der Muttermilch bekommt es Bifidobakterien und Lactobazillen. Die von ihnen erzeugte Milchsäure führt zu einer Ansäuerung des Darmmilieus. Dadurch wird es krankmachenden Keimen erschwert, sich dort anzusiedeln. Der Schutz durch die Magensäure ist beim Neugeborenen noch nicht ausreichend vorhanden. Bei Flaschenkindern fehlten diese Bifidobakterien bisher. Darum waren auch Flaschenkinder für Krankheiten anfälliger. Allerdings fügt man Bifidobakterien jetzt auch schon der Flaschennahrung bei, weil man deren Wichtigkeit erkannt hat.

Auch der Geburtsort spielt eine Rolle, denn die nächsten Bakterien kommen aus der Luft. In einem Krankenhaus sind ganz andere Bakterien vorhanden als zu Hause. Innerhalb kürzester Zeit baut sich eine ganz arteigene Darmflora auf. Man weiß heute, dass sich nicht alle Bakterien, die in den Darm gelangen, auch ansiedeln. Die Auswahl ist bei jedem Menschen verschieden. Etwa ab dem dritten Lebensjahr ist die Darmflora ausgereift.

Darmflora beim älteren Menschen

Im Alter kommt es zu einer charakteristischen Umwandlung der Mikroflora im Darm. Die Bifidobakterien nehmen stark ab, sie verschwinden sogar bei manchen ganz. Es nehmen die Enterokokken, Enterobakterien, Clostridien und Lactobazillen zu. Hand in Hand mit dieser veränderten Darmflora erfolgt eine Erhöhung der krankmachenden Keime und Stoffwechselprodukte der Mikroorganismen, die dann Krebserkrankungen, Immunstörungen und Leberstörungen mit sich bringen. Darum gilt es auch die Darmflora und den Darm zu pflegen. Alkohol und fettreiche Ernährung, wie sie besonders bei Fleischessern vorkommt, wirken sich ungünstig aus.

Ernährung und Darmflora

Die Zusammensetzung der Darmflora ändert sich mit dem Nahrungsangebot. Abweichungen im Essverhalten und Ernährungsumstellungen können das Gleichgewicht der Darmflora beeinflussen, sie schädigen oder auch die Gesundheit fördern. Auch die Gabe von Antibiotika stört das Gleichgewicht. Kommt es zur Kombination mehrerer negativer Faktoren, vermehren sich krankmachende Mikroorganismen wie etwa Enterokokken oder Clostridien. Dabei werden gesundheitsfördernde Bakterien wie Lactobazillen und Bifidobakterien verdrängt. Viele Krankheiten sind eng mit der Mikroflora des Darms verbunden.

Fleischesser haben eine ganz andere Zusammensetzung der Darmflora als Menschen, die sich nur von pflanzlicher Kost ernähren. Eine Studie hat gezeigt, dass die Stoffwechselprodukte der Mikroorganismen, die im Stuhl der Fleischesser vorkommen, zu DNA-Schäden führen. Die Folge davon ist Krebs, vor allem Dickdarmkrebs. Auch viele Stoffe, die bei der Nahrungszubereitung von Fleisch entstehen, besonders beim Grillen über offenem Feuer, schädigen die DNA. Schäden an der Erbsubstanz tragen entscheidend zur Krebsentstehung bei.

Aufgaben der Darmflora

Der Darm mit seiner riesigen Oberfläche stellt die größte Austauschfläche mit der Umwelt dar. Ständig werden körperfremde Substanzen, darunter auch Krankheitskeime, durchgeschleust. In der Darmwand befinden sich Immunzellen. Ein wesentlicher Teil der Antikörper wird von Lymphgeweben im Darm gebildet. Sie werden über den Blutkreislauf weitergegeben und gelangen so in Mund, Nase und Lunge. Auf diese Weise werden auch andere Körperteile mit Abwehrstoffen versorgt. Bei der Entwicklung des Immunsystems spielt die gesunde Darmflora eine wichtige Rolle. Die ungefährlichen Keime aktivieren und trainieren die Abwehrzellen. Ohne gesunde Darmflora kann die Funktion des Immunsystems nicht aufrechterhalten werden. Natürlich ist unsere Abwehr nicht unfehlbar. Sie wird oft geschwächt. Sonst würden wir niemals krank werden. Die Darmflora beteiligt sich an der Verdauung der Ballaststoffe. Früher glaubte man, dass diese unverdaulich seien, da es im Körper keine Enzyme gibt, die Ballaststoffe zerlegen können. Sie werden daher unverdaut in den Dickdarm weitergeführt. Aber Darmbakterien schaffen es. Sie zerlegen sogar Holz. Dabei entstehen kurzkettige Fettsäuren: Essigsäure, Propionsäure, Butter- und Milchsäure. Diese Abbauprodukte sind sehr energiereich. Sie ernähren die Darmschleimhautzellen und auch die Darmflora selbst. Man hat herausgefunden, dass ein Mangel an diesen Fettsäuren bei Patienten mit chronisch entzündeten Darmerkrankungen häufig ist. Auch das Reizdarmsyndrom, Durchfälle oder Verstopfungen können eine Folge von Störungen der Darmflora sein. Kurzkettige Fettsäuren regen auch die Darmbewegungen an. Die Durchmischung des Speisebreies zur Nährstoffaufnahme und der Weitertransport werden dadurch gefördert.

Außerdem stellt die Darmflora Stoffe her, die der Körper nicht selber erzeugen kann. Dazu gehört zum Beispiel das für die Blutgerinnung so wichtige Vitamin K. Auch Vitamin B12 stellen sie her. Nur wird dieses Vitamin im untersten Darmabschnitt leider nicht mehr aufgenommen. Man diskutiert aber die Annahme, dass im gesunden Darm von reinen Pflanzenessern solche Vitamin B12 produzierenden Mikroorganismen in den Dünndarm hochsteigen, wo eine Aufnahme möglich ist. Auch Vitamin B1 und B2 können sie herstellen.

Wird die Schrankenfunktion der Darmwand beeinträchtigt und wird sie durchlässig, so kann das zu Entzündungsreaktionen führen. Diese können an der Entstehung anderer Krankheiten beteiligt sein. Dazu zählen entzündliche Darmerkrankungen, Typ-2-Diabetes, Arteriosklerose, Herzschwäche und bestimmte Lebererkrankungen.

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