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Verfasser:Mag. Claudia Flieder
Erschienen in:Top Life Aktuell 1305

Das Geschenk der Gnade

Auf der einen Seite stehen uns heute alle Möglichkeiten offen. Wir können extrem viel kaufen, ansehen, anhören, unternehmen, erleben, tun ... und wir machen auch gerne Gebrauch davon. Wenn wir z.B. auf Urlaub fahren, wollen wir für unser Geld das Maximum herausholen. Keiner von uns würde sagen: Nichts ist so, wie ich es bestellt habe, aber Hauptsache, das Bett ist sauber! Nein, wir sind daran gewöhnt, ein Maximum an Leistung, Komfort, Angebot und Service zu erwarten. Es ist selbstverständlich, dass wir das, worauf wir uns ein ganzes Jahr lang gefreut haben, voll genießen und auskosten können. Gerade im Glaubensleben scheint es jedoch einen Bereich zu geben, den wir nur "löffelweise" auskosten, obwohl wir eine ganze Fülle davon haben könnten: die Gnade Gottes.

Gnade macht Freude

Sowohl im Hebräischen als auch im Lateinischen und Griechischen meint das Wort "Gnade", dass sich da ein Großer, Hoher, Erhabener hilfsbereit und vergebungsbereit zum Kleinen, Geringen, Hilflosen, Verschuldeten neigt, wobei bei diesem Geringen ein freudiges Erstaunen über diese Zuneigung entsteht. Stichwort Freude: Das griechische Wort für Gnade "charis" und das Wort für Freude "chara" kommen vom selben Wortstamm. Gnade löst Freude aus ... Doch warum lässt das Erlebnis der Gnade Menschen jubeln und singen und Gott aus ganzem Herzen preisen? Ich denke da nicht nur an die Psalmen, wo David immer wieder aus tiefster Seele die Gnade Gottes besingt. Auch der Lobgesang von Maria im Lukas-Evangelium ist eine dankbare und frohe Reaktion auf die Gnade Gottes, der ihre Niedrigkeit angesehen hat.

Eine Entscheidung

Um den Reichtum der Gnade zu erfassen oder auch nur zu erahnen, müssen wir eines festhalten: Gott ist nicht verpflichtet, uns gnädig zu sein. Es ist sein völlig freier Entschluss. Gottes Gnade ist frei - und gerade deswegen ein unermessliches Geschenk. Wer sollte Gott vorschreiben, wem er gnädig zu sein hat? Im Gleichnis vom verlorenen Sohn kommt dieser Hang des Menschen, Gnade zu definieren und an Bedingungen zu knüpfen, stark heraus. Der ältere Bruder hält es für ungerecht, dass der Vater so gnädig zum heimgekehrten Sohn ist, der doch diese Gnade nicht "verdient" hat. Aber genau das ist sein Irrtum, genau das ist das Geheimnis der Gnade: Gnade ist kein Verdienst. Gott ist souverän und unabhängig und es ist seine freie Entscheidung, uns, den Verlorenen und Schuldigen, mit Gnade zu begegnen. Gerade heute, in unserer modernen Dienstleistungsgesellschaft, ist es kein Geschenk mehr, bedient zu werden. Wir zahlen für den Dienst und fordern ihn selbstverständlich ein. Gott dient uns, neigt sich zu uns - doch niemals haben wir es "verdient", niemals könnten wir annähernd etwas dafür bieten. Je deutlicher uns dieses "niemals" bewusst wird, desto froher und glücklicher wird uns diese Entscheidung Gottes machen - die Entscheidung, uns gnädig zu sein. Wir können darüber nur immer wieder staunen und sie dankbar annehmen.

Gnade ist weit

Das Wunderbare an dieser Gnade ist eben, dass sie unsere menschlichen Grenzen weit übersteigt. Wir können sie nicht berechnen, nicht an unsere Bedingungen knüpfen, nicht in unsere Definitionen pressen. Gottes Gnade ist eine weite, eine unermessliche, eine große Gnade. So betet David: "Ich will dir danken, HERR, unter den Völkern, ich will dir lobsingen unter den Leuten. Denn deine Gnade reicht, so weit der Himmel ist, und deine Treue, so weit die Wolken gehen." (Psalm 108,4.5)

In dieser weiten Gnade ist Platz für all meine Unzulänglichkeiten, für mein Stolpern, mein Stürzen, meine Zweifel und Fragen, mein Suchen und auch für meinen Protest, mein Schreien und Klagen. Gerade beim Lesen der Psalmen fällt auf und erstaunt, wie frei sich David in dieser Gnade bewegt. Er spricht mit seinem Gott über all seine Lebenssituationen, über sein Leid, seine Angst, er schreit seine Gefühle heraus, seine Wünsche, seine Finsternisse und sein Versagen - aber auch seine Freude, seinen Jubel, seine Erlösung, seine Zuversicht. Und wieder können wir hier spüren, welche Erleichterung und Dankbarkeit das Erleben einer solchen Gnade auslöst: "Ich will dir danken, HERR, unter den Völkern, ich will dir lobsingen unter den Leuten", sagt David. Diese Gnade gilt auch für den, der ganz abseits steht. Sie reicht weit in die Tiefe zu dem, den sonst nichts mehr erreicht.

Felsenfest

Diese Gnade ist nicht nur weit, sondern auch fest. Oft macht uns die Weite Angst, denn sie könnte ja auch unverbindlich gemeint sein. "Ich liebe alle Menschen", hört man manche Leute sagen, "alle außer meinen Nachbarn". Gottes Gnade ist nicht nur ein großes Versprechen, sie ist eine felsenfeste Zusage, etwas, was in unserem Leben wirklich greifen kann. David ­schildert, was die Gnade Gottes ganz realistisch bedeutet: "Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte. Er wird nicht für immer hadern noch ewig zornig bleiben. Er handelt nicht mit uns nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unserer Missetat. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über die, die ihn fürchten. So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsere Übertretungen von uns sein. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten." (Psalm 103,8-13) Die Gnade ermöglicht Vergebung, Neubeginn, Annahme, Lebenszuversicht, neuen Mut. Das sind erlebbare Veränderungen, die einem Menschen neues Denken und neues Handeln ermöglichen. Schuld wird gelöscht, ein Mensch bekommt neuen Lebensmut, kann wieder befreit aufatmen. Gnade ist weit wie der Himmel und fest wie ein Felsen unter unseren Füßen. Doch ist hier nicht auch von Furcht die Rede? Müssen wir uns vor einem gnädigen Gott fürchten? Nein, wir können voller Vertrauen und Zuversicht zu ihm kommen - und dennoch auch mit Ehrfurcht, denn wir haben es mit dem Allmächtigen zu tun. Und weil der Gott der Bibel so groß und mächtig ist, kann er uns einen Neuanfang schenken und Veränderungen in unserem Leben real werden lassen. Die Gnade Gottes kann unserem Leben Halt und Bodenhaftung verleihen, eine sichere Zuflucht - in äußerer und in innerer Bedrängnis.

Gnade und Wahrheit

Dass diese Gnade felsenfest ist, bedeutet auch, dass sie niemals mit billigen Täuschungen arbeitet. Im menschlichen Alltag verstehen wir unter Gnade oft "beide Augen zudrücken". Wenn jemand die Augen vor der Wirklichkeit verschließt, drückt er damit - menschlich gesehen - seine Barmherzigkeit aus. Doch Gott muss nicht mit Täuschung und Selbsttäuschung agieren, um gnädig zu sein. Gott ist die Wahrheit, er sieht sie nicht nur viel, viel klarer als wir, Wahrheit ist sein ganzes Wesen. Es ist für uns schwer vorstellbar, wie sich Gnade und Wahrheit vereinen lassen. Das Einzigartige am Christentum ist aber genau die Vereinigung dieser zwei Elemente - und zwar in einer Person: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. Johannes gibt Zeugnis von ihm und ruft: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich. Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“ (Johannes 1, 14-17)

Wenn wir nachdenken, wie Jesus reagiert hat, wie er den Menschen begegnet ist, was er vorgelebt hat, dann verstehen wir das Wesen Gottes ein wenig besser. Jesus hat niemals mit billigen Versprechungen und Illusionen gehandelt - und doch hat er Gnade gelebt. Er war die Gnade Gottes, die auf diese Erde gekommen ist. Jesus erklärte und vertiefte das Gesetz Gottes. So deckte er in der Bergpredigt Heuchelei und Überheblichkeit auf. Er sagte die Wahrheit über Gott und die Menschen. Und er vergab, heilte und half dem, der zu ihm kam. Er richtete auf und stärkte den, der zerbrochen und am Ende war.

Zur Gnade Gottes gehört, dass Gott uns auch immer wieder zeigt, wo wir uns verirrt haben, dass er uns die Augen öffnet und uns vor einem Weg warnt, der uns nur Schaden und Verletzung einbringt. Und wenn wir uns doch verirrt haben, ist Gott in seiner Gnade geduldig und liebevoll, ruft uns zurück, wartet auf uns, heilt uns und trägt uns heim. Darum können wir Gott gar nicht genug dankbar sein für sein Geschenk der Gnade. Am besten, wir nehmen es an - gleich heute!

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