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Verfasser: Pierre Intering
Erschienen in:Top Life Magazin 1 / 2008

Gewalt von allen Seiten!

Über religiös motivierte Gewalt

Religiös motivierte Gewalt ist auch im 21. Jahrhundert ein Phänomen, dem man sich stellen muss. Dabei wird man recht schnell feststellen, dass religiöse und politische Motive nicht immer eindeutig unterschieden werden können. Meist sind sie ineinander verwoben und befruchten sich in einer recht unheilvollen Weise gegenseitig. Diese explosive Mischung wurde in den letzten Jahren besonders mit militanten Islamisten in Verbindung gebracht. In diesem Zusammenhang bekam der Begriff Fundamentalismus eine äußerst bedrohliche Bedeutung. Seine Anhänger sind nach heutigem Verständnis eine ständige Gefahr für eine freiheitsliebende moderne Gesellschaft.

Kaum jemand bringt den Begriff Fundamentalismus mit dem christlichen Glauben in Verbindung, obwohl er der protestantischen Bewegung in Nord-Amerika entstammt. Mit grundsätzlichen Aussagen der Bibel und ihren christlichen Prinzipien schuf man Anfang des 20. Jahrhunderts ein Gegengewicht zu den Bestrebungen, die immer mehr nicht nur das Wissen, sondern auch die Werte der Gesellschaft und den Glauben in Frage stellten. Dabei formulierten diese Protestanten "fundamentale" Grundsätze. Sie betonten, dass der Anspruch Jesu und des geschriebenen Wortes Gottes, der Bibel, nicht dem begrenzten menschlichen Verstand zum Opfer fallen dürfe. Man bekräftigte das Vertrauen in die Werte, die Jesus lebte und als ein Vermächtnis seinen Nachfolgern hinterließ. Ebenso versuchte man die Schöpfung, das biblische Menschen- und Weltbild sowie zahlreiche Aussagen über Wahrheit und Moral vor dem weltlichen Einfluss zu schützen. Dafür hatte man die besten Argumente. Schließlich rief kein Geringerer als Jesus selbst die Menschen zur Entscheidung auf. Er nannte Unrecht beim Namen, zog eine deutliche Grenze zwischen Lüge und Wahrheit und bestätigte die moralischen Maßstäbe der Bibel. Dabei vergaß Jesus aber nicht das ureigenste Fundament – die Liebe Gottes zu allen Menschen. Sie war bereit, dem Menschen zu vergeben und ihm einen neuen Anfang zu schenken. Auch wenn ihm Ärger und Hass entgegenschlugen, ließ sich Jesus nicht hinreißen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Seine unglaubliche Liebe ging so weit, dass er selbst denen vergab, die ihn ans Kreuz nagelten. Gewalt war ihm in jeder Hinsicht fremd. Jesus nahm die Schuld der Menschen auf sich und starb, damit wir leben können. Nur durch ihn wird es uns möglich sein, schließlich den Tod zu überwinden und das Geschenk des ewigen Lebens entgegenzunehmen. Auf diese Wahrheit wies Jesus selbst hin: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich." (Joh. 14, 6)

Auf Jesus als den einzigen Weg zur Erlösung hinzuweisen, ist selbst in unserer christlichen Kultur nicht ganz einfach. Die sonst immer wieder geforderte Toleranz entwickelt sich in Glaubensfragen immer mehr zu einem aufdringlichen Diktat, dem sich niemand widersetzen darf. Wer sich so manchen Entwicklungen verschließt, weil sie seinem moralischen Empfinden oder seinen Glaubensüberzeugungen widersprechen, wird besonders von denen angegriffen, die die Toleranz einfordern. Wir sollen heute für alles offen sein – sich ja nur nicht in einer Sache festlegen. So erreicht die Toleranz fast eine religiöse Dimension und lässt für christliche Wertmaßstäbe keinen Platz mehr. In diesem Sinne werden Christen, die sich dem biblischen Wort verpflichtet fühlen, nicht nur in "intoleranten Ländern" bedrängt.

Die Friedensbotschaft Jesu stieß immer schon auf gewaltigen Widerstand – im wahrsten Sinne des Wortes. Für Christen, die sich am biblischen Wort orientieren, ist das nicht verwunderlich. Hatte doch Jesus selbst davon gesprochen – "wenn sie mich verfolgen, werden sie auch euch verfolgen." Leider gab es immer wieder Entwicklungen in der Christenheit, die zwar den verbindlichen Anspruch Jesu betonten, aber das eigentliche Fundament dabei nicht berücksichtigten. Spätestens als die Kirche durch die römische Weltmacht als Staatsreligion anerkannt und gefördert wurde, ging man selbst zu dem über, unter dem man litt. Man setzte seine Ansprüche mit Gewalt durch und glaubte damit wie einst Saulus, Gott zu dienen. Das Mittelalter ist demnach das denkbar schlechteste Zeugnis für den christlichen Glauben. Auch wenn dieses Zeitalter überwunden zu sein scheint, die Ursachen dafür sind es sicherlich nicht. So bleibt eine klare Trennung zwischen Staat und Kirche, zwischen weltlichen und geistlichen Anliegen nach wie vor nur ein frommer Wunsch der biblisch ausgerichteten Christen. Spätestens dann, wenn Glaubensdinge in die weltliche Gesetzgebung einfließen, wird es gefährlich. Dies auf den Islam zu beschränken wäre töricht. Schließlich haben wir selbst in unserer Kultur jahrhundertelange Erfahrungen mit einer Politik, die nicht zwischen weltlichen und geistlichen Anliegen unterscheiden konnte oder wollte.

"Gewalt im Namen Gottes – die religiöse Rechte in Amerika und der Gottesstaat" – unser Leitartikel von Top Life Magazin (2008/1) zeigt die Seite der Gewalt, die von Menschen und Systemen ausgeht, die sich sehr selbstsicher als Vertreter Gottes auf Erden präsentieren. Auch wenn so manche Überzeugungen stimmen mögen, das Fundament stimmt sicher nicht - Liebe, Barmherzigkeit und andere christliche Tugenden sind untrennbar mit Christus verbunden. Und da wäre noch die Gewaltlosigkeit. Nach den neutestamentlichen Lehren greifen Christen niemals zur Gewalt, um irgendwelchen religiösen Interessen Nachdruck zu verleihen – auch wenn diese vom Kern christlich sein mögen. Sobald Zwang dahinter steht, wandelt sich jeder Glaube und jede Überzeugung zu einer hässlichen Fratze und hat mit dem christlichen Fundament nicht mehr viel zu tun. Das Wort Fundamentalismus bekommt dann zu Recht einen sehr bitteren Beigeschmack.

In diesem Sinne gilt es aufmerksam gegenüber allen Entwicklungen zu sein, die unsere von Gott gegebene Freiheit zur Entscheidung einschränken wollen. Uns ist das Wort gegeben, mit dem wir für unsere Überzeugungen "kämpfen" dürfen. Alles Weitere dürfen wir unserem Gott überlassen, der versprochen hat, alles neu zu machen. Mögen wir es bald erleben.

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