Verfasser: | Mag. Claudia Flieder |
Erschienen in: | Top Life Magazin 1 / 2009 |
Die Macht der Medien
Segen und Fluch der modernen Medienkultur
Abgesehen von Spott und sich lustig machenden Kommentaren geriet ein Thema in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: Wie sehr beeinflussen Zeitungen die aktuelle Politik und unser tägliches Leben und – dürfen angeblich „unabhängige“ Mittel der Kommunikation in den Dienst einer parteipolitischen Angelegenheit gestellt werden? Welchen Stellenwert nehmen die Medien im Geschehen eines Landes ein und wie sehr prägen sie unsere Meinung? Kurz gesagt: Welche Macht haben die Medien?
Die Informationsberieselung
Wir sind alle mehr oder weniger von dem geprägt, was wir sehen und hören, ausgesetzt dem Einfluss, den die Medien tagtäglich auf uns ausüben. Der amerikanische Wahlkampf 2008 hat (wieder einmal) die Rolle der Medien eindrucksvoll vor Augen geführt.
Nichts blieb dem Zufall überlassen – Interviews, Auftritte, Selbstdarstellungen, Clips und Homepages wurden mit höchster Sorgfalt vorbereitet und gestaltet, um den bestmöglichen Eindruck des jeweiligen Kandidaten zu erwecken und über die Medien zu transportieren – im Wissen darum, dass wir uns alle unsere Meinung auch aufgrund der täglichen Berichterstattungen bilden. Auftritte in populären Talkshows wurden sorgfältig einstudiert und vom jeweiligen Wahlkampfteam entsprechend inszeniert, um dem Publikum vor Ort und vor allem vor den Fernsehschirmen das gewünschte Bild des Kandidaten und seiner Familie zu liefern. Sein oder Schein? Diese Frage findet eine klare Antwort: Was nicht ist, kann noch werden, mit Hilfe der "richtigen" Medienpräsenz. Das legt die Frage nahe: Was für eine Macht haben die Medien tatsächlich? Was bewirken sie in unserem Leben? Was für eine Rolle wollen sie spielen?
Über Sinn und Zweck der Medien
Der lateinische Begriff medius bedeutet so viel wie "das Mittlere", "der Vermittelnde", und somit sind wir schon bei der Definition dessen angelangt, was Medien wollen: Vermittlungsträger von Informationen sein, als Kommunikationskanäle fungieren und sich als Mittel darstellen, das der Verständigung und Öffentlichkeit dient.
Vom materiellen Zeichenträger wie dem Denkmal oder dem Verkehrszeichen über die Massenmedien von Film, Rundfunk und Presse bis hin zur pädagogischen und kulturellen Bedeutung als kreative Ausdrucksform (Musik, Tanz, Theater) erfüllen Medien eine Reihe von Funktionen und prägen unsere Gesellschaft vom beruflichen bis hin zum privaten Bereich. Medien sind nicht neutral. Ein zweiter Blick auf die Stellung und Bedeutung gerade der Massenmedien lohnt sich durchaus, da sie sich ja als einseitige Kommunikationsmittel, das viele Empfänger erreichen will.
"The medium ist the message" – dieses Zitat stammt vom Pionier der Medientheorie, Marshall McLuhan und meint, dass die Struktur eines Mediums auch die Inhalte, die es übermittelt, beeinflusst. Mit anderen Worten: Die Form strukturiert die Inhalte. Oder, salopp gesprochen: Zeige mir, was du liest – und ich weiß, was du denkst!?
Es ist kein Geheimnis, dass sich bei der Formulierung von Botschaften zwischen Sender und Empfänger die Möglichkeit ergibt, Botschaften oder Nachrichten zu verstärken, abzuschwächen oder sogar zu verfälschen. Diesem Problem begegnen wir tagtäglich in der zwischenmenschlichen Kommunikation – umso mehr Achtsamkeit ist gerade bei jenen Medien gefragt, die eine große Zahl von Empfängern erreichen!
Bereits 1948 verwendete der amerikanische Wissenschaftler Norbert Wiener den Begriff der "Informationsgesellschaft", deren Entstehung in der Folge auch als "zweite industrielle Revolution" oder "kommunikative Revolution" bezeichnet wurde. Zu ihren Merkmalen gehört die Informationsexplosion. Keiner von uns wäre noch imstande, die Gesamtheit der gespeicherten und überlieferten Nachrichten und Informationen zu erfassen. Diese Komplexität führt zu Ungewissheit, die wiederum das Gefühl von Unsicherheit erzeugt. Zur Lösung dieses Problems bietet sich die Verringerung der Komplexität und somit auch der Ungewissheit an – und genau dies leistet Information. Die Informationsgesellschaft, die die unüberschaubare Menge an Nachrichten produziert, sieht es aber auch als ihre Aufgabe an, uns bei der Bewältigung der Welt durch die Strukturierung und Reduktion ihrer Inhalte zu helfen. Es stellt sich bloß die Frage: Wer bestimmt, mit welchen Nachrichten ich konfrontiert werde?Zu welchen Informationen haben wir Zugang, welche wurden schon gefiltert und bewusst für uns ausgewählt und aufbereitet?
Helden der Medienwelt
Im ersten Halbjahr 2008 führte die 2006 gegründete Handy Community qeep eine Umfrage unter ihren Usern durch. Insgesamt 3700 Jugendliche nahmen in Deutschland daran teil; 11 500 Angaben wurden ausgewertet. Gefragt wurde nach den aktuellen Helden und Heldinnen der Jugendlichen.
Wer nun meint, die Fragestellung sei veraltet und die Heldenzeit für immer vorbei, der irrt. Es gibt sie, die modernen Helden – wer aber wurde dazu erwählt? Die Antwort mag erstaunen und wiederum auch nicht, wenn man die Rolle der Medien im Leben der Jugendlichen von heute berücksichtigt. An der Spitze setzte sich nämlich Superman durch, gefolgt von Gott auf Platz 2. Der dritte Platz ging wieder an eine – nun reale – Person aus der Medienwelt: Brad Pitt. Ganz interessant der Vergleich mit den USA: dort rangierte auf Platz 1 Jesus Christus, gefolgt von Gott auf Platz 2. Martin Luther King wurde auf Platz 3 gewählt, während die Plätze 4 und 5 wieder an bekannte und populär gewordene Namen gingen: Jackie Chan, gefolgt von – wiederum Superman.
Helden sind keineswegs aus der Mode gekommen, sie stammen nun aus der virtuellen Welt von Kino, Fernsehen und Comicabenteuern ebenso wie aus dem religiösen Bereich und dem politischen Raum. Bemerkenswert, und angesichts der Lebenswelt der Jugendlichen durchaus logisch, dass Gott mittlerweile den Spitzenplatz an „Held Superman“ abtreten musste – ein Kennzeichen des wachsenden Einflusses der Medienwelt auf die Leitbilder unserer Gesellschaft. Was aber geschieht mit einer Generation, die ihre Helden, ihre Idole und Vorbilder aus dem virtuellen Bereich wählt und deren Auftreten und Aussagekraft von den Medien nicht nur genützt, sondern geschaffen und gestaltet wurden? Wenn von Kindesbeinen an Medien intensiv genutzt werden, wird sich auch der Erwachsene in Abhängigkeit davon finden.
Krank durch moderne Medien?!
Können die modernen Medien krank machen? Auch wenn das Phänomen der "Internetabhängigkeit" bis heute von den Krankenkassen nicht als Krankheit eingestuft bzw. anerkannt wird, ist die Frage zu bejahen. "Internet addiction (disorder)", "pathological internet use" und "compulsive internet use" meinen ein und dasselbe: die in gesundheitsgefährdendem Ausmaß übermäßige Nutzung des Internets.
Die virtuelle Welt wird zum Ersatz für die reale, was so weit führt, dass sogar die Befriedigung vitaler Bedürfnisse wie Essen und Schlaf vernachlässigt wird. Immer mehr Zeit muss der Internetabhängige im Netz verbringen, um sein „Maß“ an Wohlbefinden zu erreichen. Schuldgefühle stellen sich ein, doch die Tatsache der Sucht wird geleugnet und versteckt. Nach nächtelangem Surfen im web kommt man übermüdet zur Schule/Arbeit oder meldet sich gleich krank.
Die Zahlen schwanken, doch geht man davon aus, dass als internetabhängig beschriebene Personen zwischen 30 und 40 Stunden je Woche im Internet verbringen. Zum Vergleich: Nichtsüchtige kommen auf ein wöchentliches Pensum zwischen 2 und 20 Stunden. Vielfältig sind die Reize, die die virtuelle Welt dem Abhängigen bietet: Er kann vor der Realität flüchten, mit seiner Identität experimentieren und sich in Rollenspielen gegen andere Spieler behaupten (was ihm in der wirklichen Welt vielleicht nicht so einfach gelingt). Zusätzlich wird sowohl der Spieltrieb als auch das Bedürfnis, sich mit anderen zu unterhalten, befriedigt. Machtansprüche können ausgelebt und die Sehnsucht kann gestillt werden, überall dabei zu sein um ja nichts zu versäumen. Doch wehe, der PC streikt – Entzugserscheinungen wie schlechte Laune, Nervosität, Reizbarkeit, Schlafstörungen und Schweißausbrüche machen sich bemerkbar. Schätzungen zufolge gelten weltweit etwa fünf bis zehn Prozent der Netznutzer als internetabhängig. Das Problem einer wirksamen Therapie besteht darin, dass eine völlige Abstinenz vom Medium Computer und der Welt des Internets so gut wie nicht mehr möglich ist – zu sehr bestimmen diese Bereiche unsere Arbeits- und Lebenswelt. So muss in kleinen Schritten der bewusste Umgang mit dem krankmachenden Medium neu gelernt werden.
Gute Nachricht(en)
Nachrichten – was für einen Einfluss üben sie auf uns aus? Kaum jemand kann sich der Wirkung beeindruckender Bilder und appellierender Schlagzeilen entziehen. Wie gut wäre es doch, das, was wir hören, lesen, sehen – und selbst an Mitteilungen weitergeben – zuerst zu prüfen! Davon ist auch in der bekannten Erzählung von den drei Sieben die Rede: Aufgeregt kam jemand zu Sokrates gelaufen. "Höre, Sokrates, das muss ich dir erzählen, wie dein Freund ..." "Halt ein!", unterbrach ihn der Weise, "hast du das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe geschüttelt?" "Drei Siebe?", fragte der andere voll Verwunderung. "Ja, mein Freund, drei Siebe! Lass sehen, ob das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist?" "Nein, ich hörte es erzählen, und ..." "So, so. Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft, es ist das Sieb der Güte. Ist das, was du mir erzählen willst, wenn schon nicht als wahr erwiesen, wenigstens gut?" Zögernd sagte der andere: "Nein, das nicht, im Gegenteil ..." "Dann", unterbrach ihn der Weise, "lass uns auch das dritte Sieb noch anwenden und lass uns fragen, ob es notwendig ist, mir das zu erzählen, was dich so erregt." "Notwendig nun gerade nicht ..." "Also", lächelte Sokrates, "wenn das, was du mir erzählen willst, weder wahr noch gut noch notwendig ist, dann lass es begraben sein und belaste dich und mich nicht damit!"
Von anderen guten Nachrichten
Doch gibt es sie überhaupt, die "gesunden" Medien, jene Nachrichten, die nicht abhängig, krank und süchtig machen, weder manipulieren noch missbrauchen, sondern im Gegenteil wohltuend befreiende Wirkung ausüben? An dieser Stelle sei auf ein altes Buch verwiesen, das weltweit noch immer als Bestseller Nummer 1 gilt, obwohl es sich keiner Werbestrategie bedient und nicht den Gesetzen der modernen Informationsgesellschaft unterliegt. Die Bibel gilt als das Buch der „guten Nachricht“ schlechthin und hat Generationen von Lesern aufgebaut, gestärkt, Hoffnung gegeben, getröstet und Orientierung geschenkt. Das Schöne dabei: Weder Gewinn noch Machtansprüche waren dabei ausschlaggebend. Auch Auflagensteigerung und Verkaufszahlen bestimmten nicht den „Marktwert“ dieses Buches. Die Bibel ist einfach immer aktuell – mittlerweile kann sogar der sogenannte Codex Sinaiticus, die älteste erhaltene Bibel-Handschrift, online genutzt werden. Doch die Lebensnähe der Bibel beruht nicht auf ihrer digitalen Erfassung. Sie ist vielmehr ein Buch, geschrieben aus der Liebe Gottes, mit einer Botschaft der Liebe. Sie wird auch mit einem Licht in einer dunklen Nacht verglichen, das Wegweisung und Klarheit vermittelt – so kommt es zumindest in einem Wort des Apostels Petrus im Neuen Testament zum Ausdruck: "Und so besitzen wir das prophetische Wort umso fester, und ihr tut gut, darauf zu achten als auf eine Lampe, die an einem dunklen Ort leuchtet, bis der Tag anbricht und der Morgenstern in euren Herzen aufgeht" 2.Petrus 1, 19 Licht können wir gut gebrauchen in einer Zeit, in der immer düstere Schlagzeilen den Medienalltag und jenen unseres Lebens bestimmen. Warum nicht auch auf jenes Buch zurückgreifen, das klare Orientierung ohne Manipulation anbietet? Oder, wie Christian Morgenstern es formulierte: "Wer Gott aufgibt, der löscht die Sonne aus, um mit einer Laterne weiterzuwandern."
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