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Verfasser: Pierre Intering
Erschienen in:Top Life Magazin 2 / 2004

Alle Macht dem Geld

Das wahre Gesicht der Globalisierung

global(c) photos.com
Die ganze Welt war geschockt. Was sie am 11. September 2001 zu sehen bekam, war unglaublich: Zwei mit Kerosin vollgetankte und mit insgesamt 157 Personen besetzte Passagierflugzeuge rasten in die Zwillingstürme des World Trade Centers. Der Einschlag des zweiten Flugzeuges fand vor laufenden Kameras statt. Dieser dramatische Terrorakt, bei dem etwa 3000 Menschen starben, hat sich für immer schmerzlich in unser Gedächtnis eingebrannt.

Mit dem Einsturz der Türme des World Trade Centers (Welthandelszentrum) wurde nicht nur eine weltweit bewunderte Architektur zerstört. Die symbolträchtigen Anschläge trafen einen empfindlichen Nerv der wirtschaftlichen, aber auch militärischen Supermacht der USA. Die politische Reaktion war entsprechend. Der amerikanische Präsident reklamierte erneut einmal die Neue Weltordnung und dass die Welt nie wieder so sein werde wie früher. In Bezug auf die Wirtschaft kündigte George W. Bush an: "Die Terroristen haben das Welthandelszentrum angegriffen. Wir werden sie besiegen, indem wir den Welthandel ausweiten und begünstigen." [1]

Der 11. September ist seit dem Anschlag kein gewöhnliches Datum mehr - er ist zu einem Begriff geworden, der für Terror und Widerstand steht. Ziemlich genau zwei Jahre nach dem Anschlag in New York, am 10. September 2003, berichten weltweit die Medien wieder von einem erschütternden Ereignis. Diesmal stirbt aber "nur" ein Mensch - unmittelbar neben laufenden Kameras.

Der südkoreanische Kleinbauer Kung Hae Lee klettert bei Demonstrationen gegen die WTO (Welthandelsorganisation) im mexikanischen Cancún auf den Sperrzaun und macht mit einem Schild auf sich aufmerksam: "WTO kills farmers" (WTO tötet Bauern). Dann zückt er ein Messer und stößt es sich in die Brust. Einer seiner Freunde erklärt den Medien erschüttert, dass sich der 50jährige Kung Hae Lee opferte, um seine tiefe Verabscheuung des gegenwärtigen Welthandels und seiner ungerechten Politik in die Welt hinauszuschreien. Er sei nur ein Opfer von vielen Millionen Menschen, die aufgrund der Politik der Globalisierung auf der Strecke blieben.

Tatsache ist, dass jedes Treffen der Welthandelsorganisation von großen Protesten und Aufmärschen begleitet wird. Die energischen, aber zum größten Teil friedlichen Proteste lassen immer mehr aufhorchen. Kann es sein, dass der Wohlstand des Westens - wenn auch von den meisten nicht beabsichtigt - auf Kosten anderer geht? Bringt das moderne Wirtschaftsmodell den erwünschten Segen, der immer wieder von Politikern und Wirtschaftsführern versprochen wird? Wem nützt die Globalisierung?

Kein Brot für die Welt

Während die westliche Welt mit der zunehmenden Fettleibigkeit der Bevölkerung

und ihren gesundheitlichen Folgen kämpft, verhungert alle 7 Sekunden in der "Dritten Welt" ein Kind. In Afrika ist die Not am größten. Auch wenn private oder kirchliche Hilfsorganisationen mit großen Opfern und dank einer gewissen Spendenfreudigkeit der Bevölkerung sinnvolle Hilfe leisten, ist diese Tragödie insgesamt kaum zu verhindern.

Zu schnell vergaß der Westen, dass er einen guten Teil seines Reichtums den ehemaligen Kolonien zu verdanken hat. Nicht nur die Arbeitskraft wurde endlos ausgenutzt, auch für die Rohstoffe wurde kein angemessener Gegenwert bezahlt. Während der Wohlstand im Westen wuchs, verharrten die Kolonien auf ihrem wirtschaftlichen Tiefstand. Der Hunger der "Dritten Welt" geht demnach, unabhängig von ethischen Gründen, auch den reichen Westen etwas an.

Die modernen "Kolonien"

Die Kritiker der Globalisierung weisen auf die Parallelen zu den alten Abhängigkeiten des Kolonialzeitalters hin. Waren früher Königshäuser und ihre Vertreter Herren der Kolonien, so stehen sie heute in der Abhängigkeit immer mächtiger werdender Wirtschaftsimperien. "Was nützt die politische Freiheit, wenn der Alltag durch die westlichen Konzerne bestimmt wird" - so der Tenor der Globalisierungsgegner, die in der Welthandelsorganisation (WTO) und dem Internationalen Währungsfond (IWF) die Vertreter der westlichen Wirtschaftsmacht sehen. Tatsächlich müssen die Staaten zwingende Auflagen erfüllen, um Hilfe durch die Weltbank und den IWF zu bekommen. Ein Teil dieser Auflagen führen die Dritte-Welt-Länder in die Abhängigkeit ausländischer Wirtschaftskonzerne. So dürfen z.B. keine Gesetze verabschiedet werden, die den wirtschaftlichen Interessen westlicher Großunternehmen entgegen stehen.

Die Schuldenfalle

Großzügige Hilfen aus dem Westen erweisen sich mit der Zeit für die Länder der Dritten Welt als Hemmschuh für die weitere Entwicklung. In Mauretanien stieg z.B. die Produktion von Reis nach der Landreform von 5 auf 50%. Eine erfreuliche Entwicklung, die aber den unteren Bevölkerungsschichten nicht wirklich nützt. Ein großer Teil der Produktion wird nämlich für Devisen ins Ausland verkauft, während die eigene Bevölkerung Hunger leidet.

Die meisten Länder, in denen Menschen verhungern, produzieren Nahrungsmittel-überschuss! So stammt ein guter Teil der Sojaproduktion für die Futtertröge der Hühner, Schweine und Rinder in Europa aus Ländern, in denen Kindern nicht genug Nahrung für ein gesundes Wachstum zur Verfügung steht. Die westliche Hilfe war doch nicht so uneigennützig, wie manche es geglaubt hatten. Genauso ist es in Niger, Guinea, Sambia und vielen anderen Entwicklungsländern. Der 1999 verstorbene Präsident von Tansania, Julius Nyerere empörte sich schon in den Achtzigerjahren: "Müssen wir unsere Kinder verhungern lassen, nur damit wir unsere Schulden zurückzahlen können?" [2]

Ob es afrikanische oder südamerikanische Staaten sind - die Schulden sind derart hoch, dass es nicht einmal theoretisch möglich ist, sie jemals abzuzahlen. Dabei spielen die Zinsen eine entscheidende Rolle. Sie ziehen das Schuldnerland wie in einem Strudel unaufhörlich nach unten. Zusätzlich taucht die Frage auf, ob man ein Volk für die Politik vergangener Regime ausbluten lassen darf. Eine einfache Lösung für dieses Problem scheint es nicht zu geben. Trotz jahrelangen Ringens gibt es keine Einigung. Die Verhandler haben Zeit. Sie selbst leben im Überfluss - ein Grund für das radikale Vorgehen mancher Globalisierungsgegner.

Der Killerkapitalismus

  • Die Staaten der Dritten Welt bekämpfen sich untereinander, um die produktiven Investitionen zu ergattern, die allerdings von ausländischen Dienstleistungsunternehmen kontrolliert werden. Um diese Schlacht zu gewinnen, schränken sie bedenkenlos den sozialen Schutz, die gewerkschaftlichen Freiheiten und den ohnedies schon geringen Verhandlungsspielraum der einheimischen Lohnempfänger ein.

  • Besonders in Europa gehen Industrie-unternehmen immer mehr dazu über, Geräte, Laboratorien und Forschungszentren ins Ausland zu verlegen. Diese Auslagerung geschieht häufig in so genannte "Sonderproduktionszonen", wo ein Schutz der Arbeiter unbekannt ist und die Löhne miserabel sind. Die bloße Androhung der Auslagerung hat eine unglaublich obszöne Rückwirkung: Sie veranlasst den Ursprungsstaat, immer mehr Forderungen des Kapitals nachzugeben und einem Abbau des sozialen Schutzes (Entlassungen, Deregulierungen) zuzustimmen.

  • Die Arbeitnehmer aller Länder treten damit in einen Wettbewerb "jeder gegen jeden" ein. Es handelt sich für sie darum, eine Beschäftigung und ein Einkommen für die eigene Familie zu erzielen. Diese Situation bewirkt eine zügellose Konkurrenz unter den verschiedenen Kategorien von Arbeitnehmern, ihre politische Lähmung, den Tod der Gewerkschaftsbewegung - mit einem Wort die schmähliche, oft sogar verzweifelte Einwilligung des arbeitenden Menschen in die Zerstörung seiner eigenen Würde.

  • Im Inneren der europäischen Demokratien gibt es den unübersehbaren Bruch zwischen denen, die Arbeit haben und sie mit allen Mitteln zu behalten suchen, und denen, die keine Arbeit mehr haben, aller Voraussicht nach auch nie mehr bekommen werden. Die Solidarität der Arbeitnehmer ist zerrüttet. Zwei weitere Phänome lassen sich beobachten: 1. Zwischen öffentlicher Funktion und privatem Sektor tut sich ein Gegensatz auf. 2. Der einheimische Arbeiter beginnt häufig, den eingewanderten Arbeiter zu hassen. Die Folge ist Rassismus. Jean Ziegler (Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission), in "Die neuen Herrscher der Welt"

Eine fortwährende Zerstörung

Der ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Expertengruppe der Vereinten Nationen für Menschenrechte und jetzige Direktor von "Third World Network", Martin Khor, prangert nicht nur die unselige Abhängigkeit der armen Länder von den Industrienationen an. Er verweist auf die systematische Zerstörung dieser Völker. So gibt es seiner Meinung nach "zahlreiche Beispiele dafür, dass das westliche System in den Entwicklungsländern die Umwelt zerstört und eine Verschlechterung der Volksgesundheit verursacht hat." [3] Die Gründe dafür sind recht einfach: "Viele transnationale Konzerne haben ihre Produktion in Entwicklungsländer verlegt, wo die Arbeits- und Umweltschutzbestimmungen sehr locker sind oder gar nicht existieren." [4]

Wie so oft ist die Bevölkerung der Leidtragende. Khor führt ein weiteres Problem an, mit dem sich die Menschen der Dritten Welt herum-schlagen müssen: "Gefährliche Produkte werden ebenfalls zunehmend auf die Märkte der Entwicklungsländer verschoben. Es gibt zahlreiche Beispiele: Medikamente, Verhütungsmittel und Pestizide, die in Europa, den USA oder Japan schon lange verboten sind, aber von Unternehmen aus diesen Ländern in der Dritten Welt verkauft werden." [5]

Auch die von der US-amerikanischen Chemieindustrie forcierte "grüne Revolution" stellt sich zunehmend als Zerstörung für das Entwicklungsland, aber als Gewinn für die westliche Industrie heraus. Durch die Einführung besonders ertragreicher Sorten (z.B. Reis) und durch den Einsatz von großen Mengen Kunstdünger und Pestiziden wurde es möglich, mehrmals im Jahr zu ernten. Dass mit dieser Maßnahme der Boden und die Menschen immer mehr vergiftet werden, rührt die Konzerne wenig. Selbst der Einkommenszuwachs bleibt weit unter den Erwartungen zurück bzw. sogar völlig aus. Die erhöhten Ausgaben für die Chemikalien, das Saatgut und die Maschinen fressen den Gewinn auf. Nutznießer sind wieder die westlichen Konzerne.

Der etwas andere Weltkrieg

Jean Ziegler, derzeit Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission für das Recht auf Nahrung, berichtet in seinem Aufsehen erregenden Buch "Die neuen Herrscher der Welt" Folgendes: "Nach Zahlenangaben, welche die Sonderorganisationen der UN veröffentlichen, belief sich die Zahl der in den 122 Ländern der Dritten Welt durch wirtschaftliche Unterentwicklung und extreme Armut verursachten Todesfälle im Jahr 2001 auf etwas über 58 Millionen. Von schwerer und dauerhafter Invalidität aus Mangel an Einkünften, Nahrung und Trinkwasser sowie durch den fehlenden Zugang zu Medikamenten sind mehr als eine Milliarde Menschen betroffen. Anders gesagt: Hunger Seuchen, Durst und armutsbedingte Lokalkonflikte zerstören jedes Jahr fast genauso viele Männer, Frauen und Kinder wie der Zweite Weltkrieg in sechs Jahren. Für die Menschen der Dritten Welt ist der Dritte Weltkrieg unzweifelhaft in vollem Gange." [6]

Reich und Arm - die Kluft wird immer größer

Edward Goldsmith bringt die Folgen der Globalisierung mit wenigen Sätzen auf den Punkt: "Die Entwicklung der globalisierten Wirtschaft ... sollte, wie uns versichert wurde, eine Ära beispiellosen Wohlstands für alle einleiten. Tatsächlich jedoch ist diese Versicherung auf keinerlei Fakten gegründet. Im Gegenteil: Für den größten Teil der Menschheit bedeutet die Globalisierung der Wirtschaft nur eine beispiellose Zunahme an Unsicherheit, Arbeitslosigkeit, Armut, Krankheit, Unterernährung und Umweltzerstörung.

Uns allen wurde beigebracht, dass wirtschaftliche Entwicklung, gemessen an einem kontinuierlich wachsenden BSP (Bruttsozialprodukt), der Schlüssel zu weltweitem Wohlstand und Wohlbefinden sei. ... In der Folge hat sich das BSP versechsfacht und der Welthandel verzwölffacht. Wenn die Theorien stimmten, müsste die Welt inzwischen ein wahres Paradies sein. Armut, Arbeitslosigkeit, Unterernährung, Obdachlosigkeit, Krankheiten und Umweltzerstörung wären dann nur noch ferne Erinnerungen aus unserer barbarischen und unterentwickelten Vergangenheit. Aber leider ist das Gegenteil der Fall. Nie waren die Probleme ernster und weiter verbreitet als heute." [7]

Auf der internationalen Konferenz über Entwicklungsfinanzierung 2002 in Monterrey, Mexiko, brachte der kubanische Präsident Fidel Castro die Kritik der Globalisierungsgegner auf den Punkt: "Die derzeitige Weltwirtschaftsordnung ist ein System der Ausplünderung und Ausbeutung, wie es noch nie in der Geschichte da gewesen ist. Immer weniger glauben die Völker an Deklarationen und Versprechen. Das Prestige der internationalen Geldinstitute liegt unter dem Nullpunkt. Die Weltwirtschaft ist heute ein gigantisches Spielkasino. Neuere Analysen ergaben, dass für jeden in den Welthandel geflossenen Dollar mehr als hundert Dollar in Spekulationsgeschäfte fließen, die nichts mit der realen Ökonomie zu tun haben." [8]

Lösungen der Globalisierungsgegner

Die Kritiker der Globalisierung sind sich in einer Hinsicht völlig einig: Der gegenwärtige Prozess muss so schnell wie möglich gestoppt werden. Wie das aber zustande kommen kann und wie eine gerechte Verteilung der Güter möglich wird, darüber gibt es verschiedene Vorstellungen. Jean Ziegler sieht die Zukunft in einer "planetarischen Zivilbevölkerung". Die Menschen sollten sich demnach weltweit im Protest vereinigen und, ähnlich wie beim Fall der Berliner Mauer, in einer friedlichen Revolution eine neue Ordnung erzwingen. Jean Ziegler ist sich mit anderen Gegnern über die Auswirkung der Privatisierung völlig einig. Diese führe jeden Lebensbereich in einen ruinösen Wettbewerb, in dem menschliche Werte hinter dem materiellen Gewinn stünden. Selbst in der westlichen Welt sei der teils menschenverachtende Wettbewerb deutlich zu spüren. Personal werde abgebaut, um den Gewinn zu maximieren und Produktionsabläufe würden ohne Rücksicht auf Verluste automatisiert. Bei den Lösungsvorschlägen bedient sich Ziegler frei des Gedankenguts der früheren Philosophen wie Jean-Jacques Rousseau oder Karl Marx. Zweifellos hatten diese Männer in mancher Hinsicht wichtige und interessante Gedanken. Aber auch sie konnten das Problem nicht wirklich lösen. Im Gegenteil: Ihre Philosophien wurden für weitere Ungerechtigkeiten instrumentalisiert. Ob es die Französische Revolution war, bei der die Zivilbevölkerung der Ausbeutung durch die Herrschaftshäuser ein Ende bereitete, oder ob es die Ideen waren, die letztendlich dem Kommunismus den Weg bereiteten - beide Wege führten nicht zu dem ersehnten Wohlstand und Frieden und schon gar nicht zur Gerechtigkeit. Der Mensch scheint mehr zu brauchen als nur gute Ideen. Kann es sein, dass alle Reformer, so gut sie es meinen und so sehr sie sich auch für die Gerechtigkeit einsetzen, an dem größten Schwachpunkt scheitern - nämlich dem der verdorbenen Natur des Menschen?

Gibt es Hoffnung?

Wer in den Seiten der Geschichte blättert, stößt immer wieder auf bedeutende Bewegungen, die sich für Gerechtigkeit und Frieden für alle Menschen eingesetzt haben. Die zum Teil demokratisierte und befriedete Welt ist auch auf das Bemühen solcher Männer und Frauen zurückzuführen, die sich dem Ziel einer gerechten Welt verschrieben haben. Besonders aber dort, wo biblische Werte wie z. B. Friede und Gerechtigkeit hoch gehalten wurden, veränderten sich die Menschen. Dies bemerkte man nicht nur in der kleinsten Zelle des Staates, der Familie, sondern hatte auch großen Einfluss auf die ganze Gesellschaft. Politische und wirtschaftliche Entscheidungen wurden ebenso beeinflusst wie das persönliche Verhalten untereinander. Diese Sonnenseiten waren aber, realistisch gesehen, trotzdem sehr unvollkommen, meist nur von kurzer Dauer und regional sehr beschränkt. Die Regel war eher, dass sich Glaube und Politik gegenseitig missbrauchten.

Die Globalisierungsgegner, wie auch alle anderen Reformer, haben es mit einem Feind zu tun, der scheinbar unbesiegbar ist. Dieser Feind liegt im Menschen selbst - es ist seine angeborene Neigung zum Egoismus. Nur zu oft wurden in einzelne Persönlichkeiten, in Bewegungen oder Organisationen große Hoffnungen gesetzt, die dann bitter enttäuscht wurden. Reformer wurden zu Diktatoren, Bewegungen verloren ihre Visionen und hoffnungsvolle Organisationen vergaßen ihre ursprüngliche Bestimmung. Auch wenn die immer wieder nachkommenden Generationen so manches erreichten, ein umfassender Friede und eine gerechte Welt für alle scheinen eine Illusion zu bleiben. In diesem traurigen Gesamtkontext erhält das biblische Wort der Menscheitsgeschichte ganz neue Brisanz: Der Mensch ist aus eigener Klugheit und Kraft nicht imstande, die Grundnot dieser Welt zu beseitigen. Wir werden vor der Enttäuschung einer Vision bewahrt, die sich einbildet, mit menschlicher Anstrengung das Paradies auf Erden errichten zu können.

So pessimistisch die Bibel auch die Welt und ihren weiteren Verlauf einschätzt, werden wir doch zum "guten Handeln im Kleinen" ermutigt. Jede auch noch so kleine Tat zum Guten hat einen Wert in sich und wird zum Zeichen für die neue, bessere Welt, die Gott aufrichten wird und kein Mensch.

Die christliche Hoffnung

Für einen Christen ist es selbstverständlich, sich für Gerechtigkeit in allen Lebensbereichen einzusetzen. Trotzdem macht das biblische Wort keine Hoffnung auf eine von Menschen errichtete gerechte Welt. Im Gegenteil: Jesus Christus selbst gab seinen Jüngern kurz vor seinem Tod einen erschütternden prophetischen Ausblick:

"Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei; seht zu und erschreckt nicht. Denn das muss so geschehen; aber es ist noch nicht das Ende da. Denn es wird sich ein Volk gegen das andere erheben und ein Königreich gegen das andere; und es werden Hungersnöte sein und Erdbeben hier und dort. Das alles aber ist der Anfang der Wehen. Dann werden sie euch der Bedrängnis preisgeben und euch töten. Und ihr werdet gehasst werden um meines Namens willen von allen Völkern. Dann werden viele abfallen und werden sich untereinander verraten und werden sich untereinander hassen. Und es werden sich viele falsche Propheten erheben und werden viele verführen. Und weil die Ungerechtigkeit überhand nehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten." Matth. 24, 6-12 LÜ

Diese Zustände sind aber kein Anlass, sich deprimiert zurückzuziehen. Im Gegenteil. Jesus fordert seine Nachfolger zu Taten auf: "Und es wird gepredigt werden dies Evangelium (= diese gute Nachricht vom kommenden Reich Gottes) in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen." V.14

Damit sind die Aufgaben der Christen umrissen. Sie können mit Wort und Tat die Gute Nachricht weitergeben - die Erlösung und Befreiung aller Schuld und Ungerechtigkeit durch Jesus Christus. Dieser Neubeginn kann heute schon im Leben des einzelnen Menschen durch eine Hinwendung zu Gott Wirklichkeit werden. Er wird jedoch nach Gottes Versprechen in der Zukunft global und vollumfänglich für die gesamte Schöpfung Realität werden. Nach dem Wort der Bibel wird es den Menschen nicht gelingen, das Leid und die Ungerechtigkeiten dieser Welt umfassend und endgültig zu beseitigen. Nur dort, wo Menschen ihren Egoismus und ihre Schuld bekennen, sich von Gott umwandeln und von den göttlichen Grundsätzen der Liebe führen lassen, kann wahre Gerechtigkeit aufblühen. Doch erst wenn Gott selbst eine neue Erde schaffen wird, geht der Traum aller Globalisierungsgegner wirklich in Erfüllung: "Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen." Offb. 21, 4 LÜ

Literatur

  • [1] Agence France-Presse, 29.10.2001

  • [2] Children in Jeopardy in ?Die neuen Herrscher der Welt? S.209, Jean Ziegler

  • [3] Schwarzbuch Globalisierung S. 220

  • [4] Schwarzbuch Globalisierung S. 220

  • [5] Schwarzbuch Globalisierung S. 220

  • [6] ebd. S. 104

  • [7] Edward Goldsmith, ausgezeichnet mit dem alternativen Nobelpreis, Schwarzb. Global., S. 486

  • [8] Die Rede Castros und die Rede Bushs am darauffolgenden Tag sind nachzulesen in www.uni-kassel.de/fb10/frieden/themen/Globalisierung/bush-castro.html

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