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Verfasser: Raimund Fuchs
Erschienen in:Top Life Magazin 3 / 2005

Schweigen

Wenn sich Ehepaare nichts mehr zu sagen haben

"Ich kann nicht mehr, ich fühle nichts mehr für meinen Partner - wir haben nichts mehr gemeinsam, wir haben uns einfach aus-einander-gelebt", so ähnlich klingen die Aussagen, mit denen ich als Ehe- und Familienberater immer wieder konfrontiert werde. Tatsache ist: Jede zweite Ehe wird heute in Österreich und Deutschland geschieden und immer wieder sind es dieselben Gründe, die angeführt werden - "Wir verstehen uns nicht mehr" oder "Ich bin vernachlässigt worden"! Das Feuer ist aus! Die angeführten Gründe führen direkt zu den Wurzeln des Übels. Die Entfremdung kam nicht über Nacht, sondern hat sich langsam entwickelt.

Die Liebe zueinander ist wie ein Feuer, das man immer wieder mit neuem Brennstoff versorgen muss, sonst erlischt es. Meist hat sich das Interesse vom Partner auf andere Ziele verlagert und damit auch das Engagement. Das kann ein Hobby, der Beruf oder die Kinder sein. Oft wird z.B. die ganze Zeit und Energie der jungen Paare in die Kinder investiert und der Partner darüber hinaus vergessen. Die Kinder fordern und zehren an allem, was die Eltern haben. Sind sie erwachsen und verlassen das Heim, haben die Partner nichts mehr gemeinsam und trennen sich. Die Ehe wurde nur mehr von der Sorge um die Kinder zusammengehalten.

Ein anders Problem betrifft die Freundschaft. Moderne Jugendzeitschriften klären Teens auf, wie man schnell mit dem Partner ins Bett kommt, guten Sex hat und am besten verhütet. Keiner hat dabei gelernt, einfach nur "Freund" zu sein. Wenn sich junge Menschen nicht genügend Zeit nehmen, eine feste Freundschaft zu bauen, fehlt ihnen das Fundament, wenn die Zeit des Hochgefühles, des Verliebtseins, vergeht. Die Erfahrung aus der Eheberatung zeigt - nach maximal zwei Jahren ist von den "Schmetterlingen im Bauch" nicht mehr viel zu spüren. Wenn das Paar nicht zuvor eine gute Freundschaft aufgebaut hat, fällt es in das Bodenlose. Es gibt keine Basis mehr, die man Freundschaft nennt. Die Beziehung zerbricht, da man keine Gefühle mehr für einander aufbringen kann. Natürlich können auch Probleme in der Sexualität, Finanzprobleme oder aber auch die Schwiegereltern Gründe sein, die zu einer Scheidung führen. Ich möchte mich aber hier auf die erst genannten Gründe beschränken.

Ein falsches Konzept von Liebe

Mann und Frau leben sich deshalb auseinander, weil sie eine falsche Vorstellung von Liebe haben. Sie nennen es Liebe, meinen aber ein Gefühl. Sie nennen es Liebe und denken an Sex. Diese Form von Liebe nennen die Griechen "Eros" - die sinnliche, die körperliche Liebe. Fehlen die entscheidenden Voraussetzungen, ist sie im tiefsten Grunde selbstsüchtig.

Die Eros-Liebe beginnt mit einem Gefühl und schreitet über den Gedanken zur Tat. Praktisch heißt das: Ich habe ein besonderes Gefühl für dich, ich weiß, was dir Freude bereiten würde und darum mache ich es auch. Das geht so lange gut, solange man viel für den anderen verspürt. Ist das Gefühl nicht mehr da, kommt man überhaupt nicht auf den Gedanken, dem anderen etwas Gutes zu tun - denn "Wie komme ICH dazu?" Ist das nicht zutiefst selbstsüchtig? Diese Art von Liebe stellt immer Bedingungen und wird erst nach deren Erfüllung geschenkt. Wenn aber das Gefühl nicht mehr da ist, verschwindet diese Form der Liebe ebenso schnell, wie sie gekommen ist. Ein alter Schlagertext erinnert noch daran: "Die Liebe ist ein seltsames Spiel, sie kommt und geht von einem zum anderen."

Was kann man gegen die Entfremdung in der Ehe tun?

Beziehungen entstehen nicht von selber, sie müssen "geknüpft" und "gepflegt" werden. Hinter diesen Worten steht die Tat und das Inter-esse am Anderen. Das verläuft meist nach derselben Regel: Anschauen - reden und hören - und tun. Beziehungen entstehen eigentlich aus dem Nichts. Man kennt sich nicht und weiß nichts voneinander. Man beginnt beim Nullpunkt und baut eine Beziehung auf. Das ist eine gute Nachricht für jedes Paar, das meint, es gebe keine Hoffnung mehr: Es gibt sie noch! Man kann wieder von Neuem beginnen! Und noch eine ermutigende Tatsache: "Was schon einmal war, kann wieder werden!" Also, tauchen wir ein in das Geheimnis des Werbens:

1. ANSCHAUEN. Wer sich anschaut, signalisiert dem anderen, dass er in das Zentrum seines Interesses gerückt ist. Du stehst wieder auf meiner "Agenda". Anschauen bedeutet, sich um den anderen zu kümmern, seine Nöte und Bedürfnisse kennen zu lernen, damit man sie stillen kann. Wie geht es dir, was brauchst du, wie fühlst du dich, wo kann ich dir helfen? So beginnt die selbstlose Liebe. Salomo sagte es schon vor dreitausend Jahren: "Erfreue dich der Frau deiner Jugendzeit, sie ist lieblich wie eine Gazelle und holdselig wie ein Reh. Lass dich von ihrer Anmut allezeit sättigen und ergötze dich allewege an ihrer Liebe". Sprüche 5, 18.19 Mit anderen Worten, schau wieder auf deinen Partner und erkenne, wie wertvoll er ist, und erinnere dich, was du an ihm gehabt hast.

Versuche dein Gegenüber wieder zu gewinnen, indem du einfach einmal deutlich machst, dass du Interesse an ihm als Person hast, dass er dir wichtig ist - wichtiger als alles andere. Entdecke und erforsche dein Gegenüber, denn auch er ist eine Persönlichkeit mit seinen Vorzügen - nicht nur mit seinen Schwächen. Soll die Liebe wieder wachsen, müssen die Prioritäten wieder richtig gesetzt werden. Der Partner kommt vor den Kindern (oder haben Sie Ihre Kinder schon vor dem Partner gehabt?). Der Partner kommt auch vor den Hobbys und der Arbeit, denn der Mensch ist wichtiger als Dinge und Werke.

Mache dir die Vorzüge und guten Eigenschaften des anderen bewusst. Schreibe sie auf ein Blatt Papier. Schaue den Partner als Persönlichkeit an, und bleibe dabei nicht nur an seinen Werken und Leistungen hängen. Was schätzt du denn am anderen? Ist er nur liebenswert, weil er dir nützlich ist? Ich liebe sie, weil sie mir mein Lieblingsessen kocht, oder er ist in meinen Augen wertvoll, weil er handwerklich geschickt ist? Um den wirklichen Wert des anderen herauszufinden, muss man schon ein wenig tiefer gehen und ernster nachdenken. Oberflächliche werden keine Beziehung aufbauen können, die Bestand hat. Wie lerne ich den Partner wirklich persönlich kennen? Das führt uns zum nächsten Punkt:

2. REDEN UND HÖREN. Offene und ehrliche Kommunikation ist die Grundlage jeder Beziehung. Wenn sich Paare nichts mehr zu sagen haben, ist die Trennung vorauszusehen. Um das wirkliche Wesen des anderen kennen zu lernen, um sein Denken, Fühlen und Wollen zu erkennen, um seine Nöte, Freuden, Hoffnungen und Wünsche zu verstehen, bedarf es einer tieferen Kommunikation als die der üblichen Floskeln. Viele Frauen fühlen sich vom Partner nicht verstanden. Die Gespräche bewegen sich hauptsächlich auf der Tatsachenebene: Wie war dein Tag heute? Was gibt es zu essen, wo liegt das Fernsehprogramm? So wird man nicht viel vom anderen erkennen.

Es ist manchmal gar nicht so einfach, auch seine Gefühle und Empfindungen zu äußern. Das wäre höhere Kommunikation. Doch da sind Einsatz und Zärtlichkeit geboten. Wenn der Partner sich so öffnet, ist es notwendig, sorgfältig und liebevoll darauf einzugehen - also richtig zuzuhören, sonst zieht sich der Partner sofort wieder hinter seine Mauer des "Selbstschutzes" zurück, denn auf dieser intimen Ebene der Kommunikation wird man sehr leicht verletzt und möchte nicht noch mehr verwundet werden.

Das Problem vieler besteht darin, dass sie zu viel reden und nicht wirklich zuhören. Warum hat uns der Schöpfer zwei Ohren und nur einen Mund gegeben? Die Regel dafür könnte lauten: "Doppelt so viel zuhören wie reden!" Ein häufiger Fehler, der beim Zuhören gemacht wird, ist das "Werten". Wir sind sehr schnell dabei, dem anderen zu sagen, was er nicht richtig macht, oder haben gleich eine Lösung parat, ohne ihn wirklich ausreden zu lassen. Dabei wird aber jede Verständigung blockiert und abgebrochen. Will man "Tiefen hören", darf man nicht gleich werten, sondern sollte das Gehörte mit anderen Worten wiederholen: "Habe ich dich richtig verstanden, du hast gemeint ..." Aber meist geschieht es anders. Sagt eine Frau, dass es ihr kalt ist, geht der Mann gleich zum Raumthermostat und signa-lisiert ihr, dass sie nicht Recht hat, denn es zeigt 25 Grad plus an und das ist warm genug. Fühlt sich die Frau verstanden? Sicher nicht, sie wird eher weggestoßen als gewonnen. Wer einfühlsam reagiert, wird den anderen zu sich ziehen und eine Beziehung aufbauen. Dabei braucht es auch viele Gemeinsamkeiten. Das führt uns zum dritten Schritt:

3. TUN. Wenn Paare zu wenig Gemeinsamkeiten haben und sich die Intimsebenen nur auf den Bereich der Sexualität beschränken, lebt man sich schnell auseinander. Daher: Viel gemeinsam unternehmen. Will man mit dem anderen eine Beziehung aufbauen, liegt es in der Natur der Sache, dass man auf Gemeinsamkeiten Wert legt. Dabei genügt es nicht, einfach nur körperlich anwesend, aber mit den Gedanken und dem Herzen ganz wo anders zu sein. Man kann nicht mit jemandem reden und nebenbei die Sportschau im Fernsehen verfolgen. Es geht in der Beziehung um die ungeteilte Aufmerksamkeit. Dies beginnt schon am Frühstückstisch, wo die Morgenzeitung aus Liebe weggelegt wird, um den Partner zu sehen und mit ihm in ein Gespräch zu kommen.

Mann und Frau tauschen sich aus und sind nicht nur körperlich intim, sondern teilen ihre Freuden und Sorgen und überlegen, was sie gemeinsam unternehmen werden. Diese -Aktivitäten müssen nicht immer einen sinn-vollen Zweck erfüllen, wie z.B. den Garten umgraben - obwohl das auch, gemeinsam gemacht, viel mehr Spaß bringt als alleine. Man kann gemeinsam spazieren, ein Konzert besuchen oder auch ein schönes romantisches Wochenende erleben.

Weißt du, was dein Partner unter einem schönen gemeinsamen Abend versteht? Nein? Dann frage ihn einmal und höre gut zu! Es darf ruhig einmal die Oma die Kinder für ein Wochenende oder auch nur einen Abend betreuen, damit Mutti und Vati wieder einmal etwas gemeinsam erleben können, was sie zusammenschweißt. Oft zehrt man noch Monate davon.

Entzündet vom himmlischen Feuer

Nun, was ich hier in den drei Punkten kurz zusammengefasst habe, ist nichts Neues. Wissen würden wir es ja - aber tun?! Verliebte brauchen keine Anleitung, sie leben und erleben diese Regeln intuitiv. Aber Paare, die sich auseinander gelebt haben, meinen, dass sie diese Punkte nicht mehr durchführen könnten, weil ihnen die Liebe dazu fehlt - sie haben keinen "Geist" mehr dazu. Da sind wir nun am Kernpunkt angelangt. Beim Geist der Liebe. Die wahre Liebe, die wir als Agape-Liebe identifiziert haben (siehe Kasten auf S.23), kommt nur von Gott. So sagte schon der weise Salomo 3000 Jahre vor unserer Zeitrechnung: "Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm, denn die Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und ist eine Flamme des Herrn und niemand vermag sie zu löschen." (Hohelied 8,6.7)

Wem diese Liebe mangelt, wer Durst hat und nach dieser Liebe verlangt, der komme zur Quelle und trinke. So hat es Jesus allen angeboten: "Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!" Gehe an einen stillen Ort und rede mit Gott. Beten ist das Atmen der Seele.

Wenn mir der Geist ausgeht, rede ich mit meinem Vater im Himmel so, wie es mir ums Herz ist. Ich bitte ihn einfach um seinen Geist der Liebe, dass ich meinen Partner verstehen und annehmen kann, auch wenn derzeit keine positiven Gefühle für ihn da sind. Ich halte mich einfach an sein Versprechen: "Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dem werden Ströme des lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist..." (Johannes 7,?38.?39) Dieser Geist ist der Heilige Geist Gottes, der unser Herz mit der Agape-Liebe erfüllt (Römer 5,5). Das hat mir nun dreißig glückliche Ehejahre beschert. Ich entzünde mein Feuer der Liebe täglich an seinen Verheißungen, die er mir in seinem Wort, der Bibel, schriftlich mitgegeben hat, und erwärme mich an seiner Liebe zu mir. Ich erlebe, wie er sich um mich kümmert, dass er Interesse an mir als Person zeigt. So erfahre ich, wie es ist, wenn ich auch meiner Frau zeige, dass ich mich für sie interessiere. Ich sauge seine Wertschätzungen für mich als seinen Partner förmlich in mich hinein und bin dann so voll, um auch meinem Partner echte Wertschätzung aus dieser Fülle weiterzugeben. Ich fühle mich von ihm verstanden und lerne, wie ich meinen Partner besser verstehen kann. Ich nehme ihn beim Wort und mache die spannendsten Erfahrungen, denn ein Leben mit Gott ist ein abenteuerliches und erfüllendes Leben. Ich teile diese Erlebnisse mit meiner Frau und erlebe weitere Intimsebenen, die uns zusammenschweißen. Meine Frau praktiziert dasselbe auch in ihrem Leben und ist somit voll der Liebe, die sie mir geben kann, auch wenn ich gerade nicht liebenswert bin. So bleiben wir ständig im Werben umeinander und halten durch im Auf und Ab des täglichen Lebens und der sich ständig verändernden Gefühle. Natürlich gibt es auch in unserem Leben Tage, da gelingt es uns nicht so gut wie an anderen. Aber da gibt es dann die Vergebung, die uns wieder einen Neuanfang schenkt.

Agape

die höchste LiebeDas beste und dauerhafteste Konzept der Liebe nennen die Griechen "Agape". Es ist die selbstlose Liebe, die sich freiwillig dienend für den anderen aufopfert, weil er es gerade benötigt. Und man setzt ein, ob es der andere momentan wert ist oder nicht. Die Agape-Liebe ist die "höchste Wertschätzung des anderen, mit dem feinen Gespür für dessen Nöte und Bedürfnisse." Sie hat also das Wohl des anderen im Auge, nicht das eigene Bedürfnis. Diese Liebe ist nicht einfach auszuleben, denn sie reicht bis hin zur Feindesliebe. Sie ist die wahre, die göttliche Liebe. Sie beginnt nicht mit einem Gefühl, sondern mit einem Gedanken, schreitet dann zur Tat und am Ende kann sich noch ein gutes Gefühl einstellen (muss aber nicht). Jesus hat uns diese selbstlose Liebe vorgelebt, besser: Er war diese Liebe in Person. Er hatte die Kraft, seinen Verrätern sogar noch in der letzten Stunde seines Lebens die Füße zu waschen und zu vergeben. Wir waschen unseren Feinden höchstens den Kopf - aber niemals die Füße. Jesus wusste, was der andere benötigte, und setzte seine Liebe einfach ein, egal ob er einen Dank erntete oder nicht. Diese Liebe ist bedingungslos, sie kennt kein "Wenn und Aber", sie schenkt sich freiwillig.

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